Dramatischer Anruf mit glücklichem Ende

Ein Kellerbrand aus der Sicht eines Leitstellendisponenten

Es ist Samstagnachmittag, als in der Rettungsleitstelle Unterweser Elbe (IRLS) ein Notruf eines Familienvaters eingeht. Der Mann berichtet dem notrufannehmenden Leitstellendisponenten, dass ihm beim Öffnen der Wohnungstür Rauch entgegen strömte. Der Anrufer ist aufgeregt. Im Hintergrund sind schreiende Kinder zu hören. „Kommen Sie schnell, es brennt bei uns“, teilt der Anrufer mit. Der Mann steckt in einer absoluten Ausnahmesituation. Er hat Todesangst.

Auch für die IRLS ist so ein Geschehen alles andere als tägliche Routine. Nach den ersten Worten ist dem Disponenten klar, dass hier schnelle Hilfe notwendig ist und die Besatzung der IRLS ab jetzt 100% gefordert sein wird.

Der Disponent stellt dem Anrufenden die ersten Schlüsselfragen: „An welchem Ort befinden Sie sich?“, „Welche Straße?“, „Welche Hausnummer?“, „Welches Geschoss?“, „Wie heißen Sie?“, „Wie ist Ihre Telefonnummer?“.

Diese Abfrage ist heute Standard und wird bei jedem Notruf so durchgeführt. Der Anrufer berichtet, wo er sich befindet. Ort, Straße und Hausnummer sind schnell ins Einsatzleitsystem eingegeben. Die Telefonnummer wird automatisch angezeigt und verifiziert. Nachdem der Disponent jetzt weiß, wo sich der Einsatzort befindet, muss er noch wissen, um welche Art von Notfall es sich handelt. In diesem Fall ist klar, es ist ein Brand ausgebrochen. Um jedoch die Situation genau einschätzen zu können, braucht der Disponent weitere Informationen. Der Anrufer schildert, dass er sich mit seiner 6-köpfigen Familie im 4. Obergeschoss eines Mehrfamilienhauses befindet. Der Treppenraum ist verraucht, die Tür ist geschlossen, es dringt bereits Rauch in die Wohnung. Die Kinder husten.

Diese Informationen reichen dem Disponenten, um die richtigen Einsatzmittel zu entsenden. Noch während er mit dem Anrufer spricht, löst er mit dem Einsatzstichwort „Wohnungsbrand - Menschenleben in Gefahr“ den Alarm für die Feuerwehr und erste Rettungsdiensteinheiten aus. Seit Notrufbeginn sind jetzt genau 55 Sekunden vergangen.

Da der Anrufer hiervon nichts mitbekommt, teilt der Disponent dem Anrufer mit, dass er jetzt gerade die Feuerwehr alarmiert hat und sich Hilfe auf den Weg macht.

Bei außergewöhnlichen Ereignissen oder Situationen in denen der Anrufer bis zum Eintreffen der Rettungskräfte Unterstützung benötigt, bleibt der Disponent am Telefon. Dieses ist natürlich auch hier der Fall.

Über das Telefon ist zu hören, wie panisch die Familie ist. Trotz des Rauches auf dem Flur möchte die Familie die Wohnung verlassen. Da die Familie dieses jedoch mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht überleben würde, muss der Disponent auf diese einwirken und wichtige Handlungsanweisungen geben. Er teilt dem Anrufer mit, dass er das Telefon auf Laut stellen soll. Bestimmend sagt er: „Sie werden die Wohnung nicht verlassen. Auf dem Flur ist Rauch. Dieser ist tödlich. Sie bleiben in der Wohnung! Die Feuerwehr ist auf dem Weg zu Ihnen, um Sie zu retten. Bis dahin hören Sie mir ganz genau zu und befolgen Sie meine Anweisungen! Ich weiß, es ist gerade sehr schwierig, aber sie müssen jetzt ruhig bleiben! Ich helfe Ihnen!“

Der Disponent weist den Anrufer an, ein nasses Handtuch vor den unteren Türspalt zu legen. Die Familie soll sich in ein Zimmer begeben, welches ein Fenster zur Hauptstraße hat.

Die Familie begibt sich ins Schlafzimmer.

Der Disponent fordert den Anrufer auf, das Fenster zu öffnen. Dieses ist jedoch nicht möglich, da Rauch von unten an dem Fenster vorbeizieht. Es sieht so aus, als ob der Rauch aus dem Keller kommt. Wichtige Informationen für die anrückende Feuerwehr, die der Disponent im Einsatzbericht vermerkt. „Personen in Zimmer zur Hauptstraße, Rauch vor Fenster, vermutlich Kellerbrand“

Da der Disponent jetzt primär die Aufgabe hat, die Personen am Telefon zu betreuen, ist es notwendig, dass ein weiterer Disponent oder Disponentin diese Informationen an die Feuerwehr weitergibt. Hierzu hat der Schichtführer bereits in der Initialphase des Einsatzes die Organisation der Arbeitsabläufe der Leitstelle auf eine Sonderlage umgestellt.

Die alarmierte Feuerwehr trifft ihre Entscheidungen zu notwendigen Maßnahmen auf der Grundlage der ihr zur Verfügung stehenden Informationen. Daher ist es wichtig, dass der Disponent so viele einsatztaktische Informationen wie möglich sammelt und diese an die Feuerwehr weitergibt.

Weitere Informationen werden eingeholt. So weiß der Disponent mittlerweile, dass es sich bei der Familie um zwei Erwachsene und vier Kinder im Alter von 3, 6, 8 und 12 Jahren handelt. Alle gesund und gehfähig. Das Fenster ist zur Hauptstraße gerichtet, unter dem Fenster steht ein Baum. Die Wohnung ist in der 4. Etage, das Fenster lässt sich weit öffnen. Auch diese Informationen werden an die Feuerwehr weitergegeben.

Der Disponent wirkt beruhigend auf die Familie ein, so dass die Anspannung etwas zurückgeht. Immer wieder fragt er nach dem Zustand der Personen und ob Rauch in das Zimmer kommt. Da bereits die ganze Wohnung verraucht ist, dringt etwas Rauch durch das Schlüsselloch. Dieses wird mit einem T-Shirt verschlossen. Der Anrufer macht seine Sache sehr gut. Er erklärt den Kindern, dass gleich die Feuerwehr kommt und diese dann ein Spiel spielen und sie sich dann verkleiden und rausgetragen werden.

Über das Statussystem sieht der Disponent, dass das erste Fahrzeug der Feuerwehr am Einsatzort eingetroffen ist. Er fordert den Anrufer auf, aus dem Fenster zu gucken. Die Feuerwehr sieht er. Sie holen eine Leiter. Stellen diese an die Hauswand. Die Leiter steht richtig. Erleichterung ist zu hören und die Kinder gucken fasziniert der Feuerwehr bei ihrer Tätigkeit zu. Ob er jetzt auflegen solle fragt der Anrufer. „Nein, Sie bleiben in der Leitung bis Hilfe in der Wohnung ist“, lautet die Antwort des Disponenten.

Dieser erklärt jetzt die weiteren Schritte der Feuerwehr. Eine Rettung über eine Leiter ist denkbar. Ganz bestimmt kommen Feuerwehrleute unter Atemschutz und dicker Schutzkleidung zu ihnen in die Wohnung. Das sieht komisch aus. Die Kinder sollen sich aber keine Sorgen machen. Die Kollegen sind sehr nett. Die Stimmung hat sich so weit beruhigt, dass das Gespräch sich fast nach Smalltalk anhört.

Dann, nach weiteren 5 Minuten, hört man ein Klopfen und rufen. Die Feuerwehr ist vor der Wohnungstür.  

Kurze Zeit später hört man das typische Geräusch eines Atemschutzgerätes. Die Feuerwehr ist bei den Personen im Schlafzimmer. Der Anrufer ist erleichtert und bedankt sich bei dem Disponenten. „Das haben Sie sehr gut gemacht“ entgegnet dieser und wünscht noch alles Gute. Dann ist das Gespräch vorbei und die Personen werden in Sicherheit gebracht. 25 Minuten nach Beginn des Notrufes.

Dieser Einsatz hat genauso stattgefunden. Er zeigt wie wichtig eine gut funktionierende Leitstelle und das Zusammenspiel aller Beteiligter ist. Die Disponenten mussten innerhalb kürzester Zeit eine große Menge an Arbeitsschritten in einer hoch belastenden Situation fehlerfrei abarbeiten. Viele Informationen mussten aufgenommen und weitergegeben werden. Dieses ist nur durch gute Ausbildung, Organisation und Technik möglich.

Gleichzeitig zeigt das Szenario auch, wie wichtig die Zusammenarbeit zwischen der Leitstelle und den Rettungskräften ist. Um hier eine Optimierung zu erwirken, muss die Digitalisierung auch im Bereich der Einsatzführung voranschreiten, um alle wichtigen und notwendigen Informationen verlustfrei und zeitnah an die entsprechenden Stellen zu bekommen.