Stadtrat Frost: Stehen fest an der Seite der Bremerhavener Sinti und Roma

Am Samstag, dem 16. Dezember 2023, um 15.00 Uhr, sind Menschen aus der ganzen Stadt zu der offiziellen Gedenkveranstaltung der Stadt Bremerhaven anlässlich der Erinnerung an die Verfolgung und Ermordung der Sinti und Roma an der Gedenktafel an der Hochschule, Karlsburg, zusammengekommen.

Das Kulturamt hatte zum Gedenken an die Opfer der nationalsozialistischen Verbrechen an den Roma und Sinti eingeladen. Roberto Larze, Vorsitzender des Bremerhavener Sinti-Vereins e. V., eine Schülerinnengruppe der Gaußschule II und Stadtrat Michael Frost, haben anlässlich des Gedenktags die Ansprachen gehalten. Stadtrat Frost schlug in seiner Ansprache vor, einen öffentlichen Platz oder eine Straße in der Stadt nach dem NS-Opfer und langjährigem Vorsitzenden des Bremer Landesverbandes der Sinti und Roma, Ewald Hanstein, zu benennen.

Die Redner warnten angesichts von weiterhin verbreiteten antiziganistischen und antisemitischen Haltungen in den Köpfen vieler Menschen, angesichts der Gewalt gegen Juden, Roma und Sinti sowie angesichts des ungebrochenen Erstarkens von rechtsextremistischen Parteien vor einer drohenden Gefahr für Demokratie, Pluralismus und Menschlichkeit. Frost blickte dabei nicht ausschließlich in die Zeit der NS-Gewaltherrschaft, die mit dem so genannten „Auschwitz-Erlass“ des SS-Reichsführers Heinrich Himmler vom 16. Dezember 1942 zur Vernichtung von europaweit 500.000 Roma und Sinti führte, sondern auch in die jüngere Geschichte der Bundesrepublik.

„Die Aufarbeitung der Verbrechen der Nazi-Zeit ging über viele Jahre und Jahrzehnte vor allem von den Verbänden der Opfer und den westlichen Befreiungsmächten aus – und weniger von uns selbst“, stellte Frost fest. „So konnten etwa Kriminalpolizisten, die unmittelbar an der NS-Verfolgung der Sinti und Roma beteiligt gewesen waren, ihre Karrieren weiter fortsetzen, ohne sich juristisch für ihre Beteiligung an den NS-Verbrechen verantworten zu müssen. Nationalsozialistisch belastete Beamte leugneten die rassische Verfolgung der Sinti und Roma und verteidigten diese als ‚verbrechensvorbeugende Maßnahmen‘. Diese Auffassung schlug sich 1956 in einem Grundsatzurteil des Bundesgerichtshofs nieder, das jahrelang die Entschädigung von zahlreichen verfolgten Sinti und Roma verhinderte.“

Stadtrat Frost betonte, dass erst 1979 der NS-Völkermord an Roma und Sinti politisch anerkannt wurde. Maßgeblich für diese überfällige und notwendige Wendung war eine von dem Verband deutscher Sinti gemeinsam mit der Gesellschaft für bedrohte Völker vorbereitete systematische Öffentlichkeitskampagne. Insbesondere vor diesem Hintergrund würdigte Frost die besonderen Leistungen des Zentralrats der Sinti und Roma, des Bremer Landesverbandes der Sinti und Roma und des Bremerhavener Sinti-Vereins. „Ich danke Roberto Larze und Dardo Balke und mit ihnen allen weiteren Aktiven eures Bürgerrechtsvereins für das große und großmütige Engagement“, erklärte Michael Frost. Das außerordentliche Engagement des Vereins zeige sich auch in den kulturellen Verdiensten der Handelnden. „Ich gratuliere zu der unvergesslichen Aufführung der ,Blumen an der Karlsburg‘, die wir in diesem Jahr im Stadttheater erlebten und jüngst von der Bundeszentrale für politische Bildung in dem Wettbewerb ‚Aktiv für Demokratie und Toleranz‘ ausgezeichnet wurde!“

Stadtrat Frost stellte klar, dass der Magistrat jetzt und in der Zukunft ein unverbrüchlicher Bündnispartner der Vertreter der Bremerhavener Sinti und Roma ist. Auch blickte Frost nochmals zurück in die gemeinsame Vergangenheit, indem er an Ewald Hanstein erinnerte. „Der Erfolg der Selbstvertretung der Bremer und Bremerhavener Sinti und Roma ist neben den heute Anwesenden vor allem mit einer Person verbunden, an die wir heute gemeinsam erinnern möchten: Ewald Hanstein.“ Hanstein beantragte bereits 1957 eine Entschädigung als NS-Verfolgter. Er war 1943 in das Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau deportiert worden. Als noch „Arbeitsfähiger“ entging er der Vernichtung und wurde als einer der auf den Todesmarsch gezwungenen Häftlinge im April 1945 von der US-Armee befreit. Erst Ende der 1980er Jahre wurde ihm eine „verfolgungsbedingte Schädigung“ zuerkannt, sodass er wenigstens rentenberechtigt wurde. „All das hat Ewald Hanstein nicht entmutigen oder gar brechen können“, hob Frost heraus, „auch nicht seinen Einsatz in und für ein demokratisches Deutschland, in dem die Bürgerinnen und Bürger unterschiedlicher Herkunft und Zugehörigkeit gleichberechtigt leben können“. Frost hob die unermüdliche Präsenz in Schulklassen, öffentlichen, politischen und Bildungsveranstaltungen hervor, die 2006 mit dem Bundesverdienstkreuz am Bande gewürdigt wurde.

Michael Frost warb für eine gemeinsame Initiative des Magistrats und des Sinti-Vereins mit dem Ziel, Hansteins Wirken und seine Verdienste um die demokratische Entwicklung Bremerhavens zu würdigen: „Ich würde mich freuen, wenn es uns gelingen würde, einen geeigneten Ort in unserer Stadt, einen Platz oder eine Straße, nach Ewald Hanstein zu benennen.“

Frost schloss seinen Ansprache mit Ewald Hansteins Worten aus dem Buch „Meine hundert Leben“:

"Wir müssen Rassismus, Antisemitismus, Antiziganismus und Fremdenfeindlichkeit bekämpfen,

wo sie ihre ekelhafte Fratze zeigen.

Wir müssen "nein" sagen, wo verächtlich über andere geredet wird!

Wir müssen "nein" sagen, wo Gewalt propagiert oder verniedlicht wird!

Wir müssen "nein" sagen, wo Egoismus und Konsum als höchste Lebensziele gepriesen werden!

"Die Würde des Menschen ist unantastbar!"

Dieses Gebot unseres Grundgesetzes, aus der Erfahrung von Auschwitz aufgeschrieben,

bleibt die Richtschnur für unser gesellschaftliches Leben, für eine demokratische und humane Zukunft."

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