Gerths Bagaasch: Niederdeutsch muss gar nicht „platt“ sein

Was mit der ausgemusterten Gitarre der großen Schwester anfing, nahm unter dem Einfluss von euphorisierenden Kaltgetränken und dem Makel fehlender Dichtkunst seinen Lauf. Inzwischen erfreuen Friesenjung Gerth Schmidt und seine „Bagaasch“ ihr Publikum mit plattdeutscher Bühnenkunst. Niederdeutsche Lyrik, aus der Feder von Klaus Groth, die kein Stück weit „platt“ ist.

„Eigentlich ist Hilton Valentine, der Gitarrist der Animals, schuld“, sagt Gerth Schmidt mit einem breiten Lächeln. „Ich wollte unbedingt sein Gitarrengriff aus „ The House of the rising sun“ spielen können – wie so viele andere Jugendliche damals auch“, erklärt Gerth weiter. Zu seinem Glück hatte Gerths Schwester noch eine Gitarre in der Ecke stehen, die sie schon lange keines Griffes mehr würdigte. Es kam also zusammen, was zusammengehörte und Gerth entwickelte sich Saite für Saite zum Wandergitarrenjünger. Nach dem zunächst eher bluesigen Aufschlag mit den Animals, entdeckt der frisch gebackene Gitarrero sehr bald Bob Dylans Poesie für sich und alles wird anders. Anders wird auch das Band-Debüt von Teenie-Gerth. Ausgerüstet mit seiner Gitarre und einem Kopf voll wilder Ideen, macht Gerth sich auf die Suche nach einer Band.

An seiner Schule wird er auch tatsächlich fündig. Das Problem ist allerdings, dass die Band schon einen Gitarrenmann hat und nur noch einen Bassisten sucht. Gerth, der zwar weder einen Bass sein Eigen nennt, noch einen solchen je gespielt hat, ist es leid, immer nur für sich in seinem Kämmerlein zu spielen. Also fasst er sich ein Herz und klopft bei der Pennäler-Kapelle an die Proberaumtür. Irgendwie ist man sich dort auf Anhieb sympathisch. Der fehlende Bass wird von einer befreundeten Band ausgeliehen und Gerth darf sich beweisen. „Irgendwie habe ich es dann hinbekommen einigermaßen gerade zu spielen. Nach drei Monaten gab es dann einen eigenen Bass – für 70 Mark gebraucht gekauft“. Die Band hieß „Mungo Park“ – benannt nach dem berühmten Afrikaforscher, der bei der Erkundung des Niger spurlos verschwand. Ähnlich wie seinerzeit der Namenspate verschwand auch die Band „Mungo Park“ irgendwann spurlos und Gerth war wieder auf der Suche.

Der lyrisch interessierte junge Mann erkennt schnell, dass ihm das Talent für ernsthafte Texte fehlt. Er macht sich daran, Gedichte zu vertonen. Besonders Lyrik aus den Zwischenkriegsjahren a´la Bertold Brecht liegt ihm sehr. „Ich habe auch Volksballaden erfunden. Texte wie: „Ewald, der Glöckner vom Ochsenturm“ oder „Der größte Held aus Spieka-Neufeld". Die habe ich dann unter größtem Spaß Freunden bei einem Gläschen Rum vorgespielt“, berichtet Gerth und schmunzelt. Irgendwann bleibt sein Ohr am Album „Plattdeutsche Lieder“ von Hannes Wader hängen. Das löst einen Impuls aus. Schmidt, der auf einem Bauernhof in Schleswig-Holstein aufgewachsen ist, beherrscht die Sprache der Friesen bestens und legt sich alsbald einen Gedichtband des bekannten niederdeutschen Lyrikers Klaus Groth zu. „Von da an war es um mich geschehen“, sagt Schmidt. „Wenn mich beim Lesen darin ein Text „ansprang“ habe ich sofort nach meiner Gitarre gegriffen und daraus ein Lied gemacht“.

Wie der Zufall es will, gründet sich an der Schule, an der Gerth inzwischen als Lehrer arbeitet, eine Schulband. Hier trifft er auf anderen musikalische Kollegen, wie Ingo Beck, Lars Hierath und Nils Wandrey. Das Bandprogramm ist eher international, doch Schmidts Liebe zum „Platten“ kommt hier und dort mal zum Tragen. Als ein befreundeter Kollege in den Ruhestand geht, spielt die Band ein komplettes Album mit Schmidts vertonten Gedichten als Abschiedsgeschenk ein. Der dazu gebotene Auftritt kommt prima an und macht allen Beteiligten große Freude – „Gerths Bagaasch" ist geboren.

Die Texte von Klaus Groth, die von Liebe, Leben, Trauer und Trost erzählen und die handwerklich feinste Musik der „Bagaasch“ bilden ein wunderbares Zusammenspiel. Die große musikalische Vielfalt und Qualität der Musiker macht einfach Spaß. Bei Gerths Bagaasch kommt es nicht so genau darauf an jeden Text völlig zu verstehen. Die Spielfreude der Band ist so ansteckend, dass es unmöglich scheint, außen vor zu bleiben, wenn sie in die Saiten greifen – das klappt auch ohne euphorisierende Kaltgetränke. Marco Butzkus


Gerths Bagaasch
Gerth Schmidt - Gesang
Lars Hierath - Saxophon und Querflöte
Dario Beck - Gitarre und Ukulele
Nils Wandrey - Gitarre
Ingo Beck - Keyboards und Akkordeon
Stephan Hübler - Bass
Olaf Satzer – Schlagzeug

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