RE:SET - Renaturierung einer Hafenstadt

Die Stadt Bremerhaven wird im Jahr 2024 grüner, kühler und klimafreundlicher. Um dieses Ziel zu erreichen, werden unter dem Titel „RE:SET – Renaturierung einer Hafenstadt“ in den kommenden Monaten mehrere Projekte im Stadtgebiet umgesetzt.

Insgesamt fünf Leitprojekte sind Bestandteil des RE:SET-Programms. Die Maßnahmen, die bis Ende 2024 abgeschlossen sein sollen, werden viele weitere Maßnahmen hinzukommen, die im Rahmen des Bundesprogramms „Anpassung urbaner Räume an den Klimawandel“ vom Bund mit insgesamt 4,5 Millionen Euro gefördert werden. Rund 500.000 Euro schießt die Stadt Bremerhaven zu.

Der Startschuss für das RE:SET-Projekt fiel am 15. Januar 2024 auf dem Waldemar-Becké-Platz. Weil sie allesamt von dem Bakterium „Pseudomonas syringae“ befallen sind und ihr Absterben nicht mehr zu verhindern ist, werden die 26 verbliebenen der ursprünglich 52 Kastanien auf dem Waldemar-Becké-Platz gefällt und durch die klimaangepasste Baumart Zerr-Eiche (Quercus cerris) ersetzt, die leichter mit den Klimaveränderungen zurechtkommt.

Das Bakterium „Pseudomonas syringae“ wurde an Kastanien erstmals 2006 in Deutschland nachgewiesen. Drei Jahre später bestätigten Laborproben, dass auch Kastanien in Bremerhaven betroffen waren. Typische Symptome sind schwarze Stellen mit Ausfluss am Stam m, dazu löst sich die Rinde der Kastanien großflächig. Die Bäume sind durch das Bakterium stark geschwächt und daher anfällig für weitere Erkrankungen, wie z.B. die Besiedelung durch holzzersetzende Pilzarten.

Die befallenen Bäume sterben innerhalb weniger Jahre ab. Seit 2009 mussten bereits 26 Kastanien auf dem Waldemar-Becké-Platz gefällt werden. Die letzten 26 verbleibenden Kastanien in der Grünanlage waren mittlerweile so stark geschädigt, dass ihre Standsicherheit nicht mehr gewährleistet werden konnte. Das Bundesförderprogramm „RE:SET - Renaturierung einer Hafenstadt“ hilft beim Wiederaufbau eines klimagerechten Baumstandes auf dem Waldemar-Becké-Platz.

Direkt nach der Rodung der kranken Bäume werden 52 junge Eichen auf der innerstädtischen Grünanlage einziehen, die seit den 1920er Jahren der Naherholung für die Bevölkerung dient. Die klimaangepasste Baumart Zerr-Eiche (Quercus cerris) kommt besser mit den trockenen Sommermonaten und weiteren Anforderungen des Klimawandels zurecht und wird die neue, äußere Begrenzung auf dem Waldemar-Becké-Platz werden.

Diese Maßnahme wurde mit dem BUND, NABU und Grünem Kreis abgestimmt.

Bäume dienen grundsätzlich als „Klimaanlagen“ in unseren Städten. Die Transpiration über die Blätter sowie die Beschattung durch die Krone kühlen an heißen Tagen die Umgebungsluft ab. Feinstäube in der Luft aus Straßenverkehr und Industrie werden durch die Bäume gebunden. Sie bieten einen Lebensraum für unterschiedliche Tiere und tragen zum Wohlbefinden von uns Menschen bei. 

In der Stadtklimaanalyse sind die Bereiche der Stadt Bremerhaven dargestellt, die sich stark aufheizen und auch nachts kaum Abkühlung erfahren. Auf dieser Grundlage hat das Gartenbauamt die Quartiere und Straßen ermittelt, in denen vordringlich Bäume gepflanzt werden sollen, um eine Aufwertung der Wohnquartiere hinsichtlich der klimatischen Bedingungen zu erzielen.

Im Abgleich mit vorhandenen Leitungen und anderen Nutzungen wurden 269 konkrete Standorte ermittelt, die in Zusammenarbeit mit dem Amt für Straßen- und Brückenbau in den Straßen neu hergestellt werden. Weitere 17 Bäume werden in Grünflächen an den Straßen gepflanzt.

Um eine gesundes Pflanzenwachstum zu generieren, werden die Baumgruben – wie auch bisher schon praktiziert - nach aktuellen technischen Empfehlungen und Erkenntnissen hergestellt, z.B. mit speziellem Baumsubstrat, das auf die Bedürfnisse von Bäumen ausgelegt ist.

Die Bürgerinnen und Bürger werden über die Baumpflanzungen in den Straßen an sogenannten Parklets informiert, die in den Straßen aufgestellt und je nach Baufortschritt an andere Standorte gestellt werden.

Die Parklets haben die Größe eines Parkplatzes und sind z.B. mit einer Bank, einem Pflanzkübel und einer Info-Tafel ausgestattet.

 

 

 

 

Die Baumart Fichte ist natürlicherweise in den Hochlagen des Gebirges, unterhalb der Schneegrenze, zuhause. Man kennt die Bilder aus dem Harz oder dem Bayrischen Wald, wo die Fichte durch Borkenkäfer und Trockenstress zum Erliegen kommt. Auch in den Waldbereichen des Bürgerparks und Gesundheitsparks Speckenbüttel beschäftigt sich das Gartenbauamt seit Jahren mit dem schlechten Zustand der Fichtenbestände - Nadelverlust, Borkenkäfer, absterbende Bäume. Immer wieder mussten abgestorbene Fichten aus den Waldbeständen gefällt werden. Bäume, die vor drei Jahren noch grüne Nadeln hatten, zeigen schon heute stark aufgelichtete Kronen. Der Borkenkäfer geht von Baum zu Baum.

Um einen stabilen und gesunden Baumbestand für zukünftige Generationen in den großen Parkanlagen zu gewährleisten, ist der klimagerechte Umbau der Fichtenbestände in das RE:SET-Förderprojekt aufgenommen worden. Das Gartenbauamt führt die Maßnahmen seit dem 22. Januar 2024 in Teilbereichen des Bürgerparks und Gesundheitsparks Speckenbüttel durch. Dabei werden Fichten gefällt und einzelne Hochstämme sowie hunderte junge Forstpflanzen klimaangepasster Baumarten, wie z.B. Feldahorn, Traubeneiche und Stieleiche, gepflanzt.

Für die Planung und Umsetzung der Arbeiten wurden zuerst die kranken und bereits abgestorbenen Fichtenbestände erfasst. Anschließend wurde ein Konzept für den Umbau dieser Flächen entwickelt und mit dem Umweltschutzamt, dem NABU, BUND und dem Grünen Kreis abgestimmt.

Die Arbeiten werden unter größtmöglicher Schonung der bestehenden Bäume und Sträucher bzw. der Parkanlage durchgeführt. Außerdem soll Lebensraum für Vögel, Kleinsäuger und Insekten bewahrt werden, die Totholz oder absterbendes Holz benötigen. Gleichzeitig wurde die Neubepflanzung geplant und der natürliche Aufwuchs berücksichtigt.

Die Fällarbeiten werden nicht mit großen Geräten, sondern mit Motorsägen vom Boden ausgeführt. Aufgrund der notwendigen sensiblen Vorgehensweise zur Schonung der Bestände bzw. Verringerung des Bodendruckes werden nur Maschinen und Geräte bis 3,5t verwendet. 

Die gefällten Bäume werden mit einer Seilwinde aus dem Wald an den Weg gezogen und von dort aus abgefahren.

Ein Teil der Fichtenstämme, etwa 25 Prozent, bleibt als Reststamm mit einer Höhe von ca. 4 bis 6 Metern stehen. Diese sogenannten Habitat- oder Spechtbäume werden in ihrem Zersetzungsprozess durch Pilze und Bakterien für viele Insektenarten interessant. Der Specht wiederum findet in diesen Baumstämmen einen reich gedeckten Tisch.

Ca. 50 Prozent der gefällten Stämme verbleiben als liegendes Totholz in den Flächen. Auch diese bieten vielen Tieren Lebensraum und Nahrung und tragen zur Humusbildung im Boden bei. Ca. 25 Prozent der Stämme werden abtransportiert und durch eine Fachfirma verwertet.

Um einen nachhaltigen und klimagerechten Mischwaldbestand zu entwickeln, erfolgt eine Initialpflanzung mit einzelnen Solitärbäumen und Solitärsträuchern sowie kleiner Forstware, die flächig gepflanzt wird. Folgende Baumarten sind geplant:

25 Prozent Nadelgehölze: Lärche (Larix decidua), Weißtanne (Abies alba).

75 Prozent Laubgehölze: Stieleiche (Quercus robur), Traubeneiche (Quercus petraea), Winterlinde (Tilia cordata), Rotbuche (Fagus sylvatica), Esskastanie (Castanea sativa), Amberbaum (Liquidambar styraciflua), Roteiche (Quercus rubra), Stechpalme (Ilex aquifolium).

Des Weiteren sind Schlehe (Prunus spinosa) und Besenginster (Cytisus scoparius) vorgesehen.

Ziel ist, einen abwechslungsreichen und natürlichen, waldartigen Lebensraum mit einer vielfältig geschichteten Struktur mit Kraut-, Strauch- und Baumschicht zu entwickeln. So optimal aufgebaute Wälder können i hre vielfältigen Funktionen ausüben und sind anpassungsfähiger als Wälder mit einheitlichem Baumbestand.

Konkret werden im ca. 76,5 ha großen Bürgerpark auf einer Gesamtfläche von  etwa 2,3 ha (23.000 m²) 840 Fichten und im ca. 80 ha großen Gesundheitspark Speckenbüttel auf einer Gesamtfläche von etwa 1,4 ha 558 Fichten gefällt. Als Neupflanzung sind im Bürgerpark insgesamt knapp 1400 Bäume und im Gesundheitspark Speckenbüttel knapp 1650 Bäume vorgesehen. 

Von den etwa 8.700 Straßenbäumen in Bremerhaven werden in Trockenperioden etwa 1.700 Bäume gewässert. Bislang wird die Wässerung von Bäumen bei trockener und heißer Witterung nach Einschätzung durchgeführt. Ob die Wässerung ausreichend ist oder ggf. mehr Wasser als erforderlich gegeben wird, kann somit nicht präzise beurteilt werden.

Deshalb werden im Rahmen des RE:SET-Projekts Sensoren für die Messung der Bodenfeuchte an mindestens 30 repräsentativen Baumstandorten eingebaut. Die Daten, die dadurch ermittelt werden, sollen anfangs durch das beauftragte Unternehmen und nach erfolgter Schulung durch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Gartenbauamtes ausgewertet werden. Die Daten können und sollen auf andere entsprechende Baumstandorte übertragen werden und so zu einer bedarfsgerechten Bewässerung und damit einer besseren Entwicklung der Bäume führen. 

Bremerhavens Hauptverkehrsstraßen stellen sich immer noch als überbreite und stark versiegelte Straßenräume dar. Dabei könnten viele sogenannte Sperrflächen, also Flächen ohne direkte zugewiesene Nutzung, entsiegelt und mit einer Begrünung versehen werden.

Durch die Maßnahme soll sowohl ein visueller als auch ein ökologischer Mehrwert geschaffen werden. Das Niederschlagswasser kann versickern und entlastet den Straßenraum, Neuansaaten schaffen mehr Biodiversitätsflächen, und auch das gewonnene Baumaterial wird wiederverwendet und nicht entsorgt. 

Wie hier an der Elbestraße, gibt es entlang der Hauptverkehrsstraßen reichlich versiegelte Flächen.

© Amt für Straßen- und Brückenbau

Im Bereich der Havenwelten setzt die BEAN (Bremerhavener Entwicklungsgesellschaft Alter/Neuer Hafen) auf die Begrünung von Dachflächen sowie auf „mobiles“ Grün. Das Deutsche Auswandererhaus bekommt ein Gründach, das Wasser zurückhält und mit den eingesetzten Pflanzen die Artenvielfalt fördert. Der Bereich um Klimahaus und Lloyddock muss veranstaltungstauglich und barrierefrei bleiben, ein großflächiges Entsiegeln der Havenwelten ist also nicht möglich. Aus diesem Grund werden hier mobile Pflanzcontainer vorgesehen, die sich in der Optik der Umgebung anpassen und für Veranstaltungen versetzt werden können.