Kistner-Gelände

Revitalisierung des Kistner-Geländes

 

Seit der Insolvenz des Unternehmens im Jahre 2005 lag das Gelände der ehemaligen Kalksandsteinfabrik und des Baugeschäftes H. F. Kistner brach. Bestrebungen der Stadt z. T. in Form europaweiter Ausschreibungen, die zentral und an der Geeste gelegene Immobilie einer neuen Nutzung zuzuführen, scheiterten an der gewerblichen Vorbelastung (Altlasten), dem Verdacht auf Kampfmittel, Erhaltungsauflagen des Denkmalschutzes und anstehendem Sanierungsbedarf aufgrund mangelhafter Uferbefestigung. Hinzu kam der schlechte Baugrund und sanierungsbedürftige Zustand der Werftstraße. Auch die auf Grundlage eines Einzelhandelskonzeptes bereits 2006 entwickelte Einzelhandelsansiedlung wurde letztendlich verworfen. Erst die 2013 von der PROCON Ingenieurgesellschaft mbH erstellte Projektentwicklungsstudie zeigte mit ihrer Standortanalyse und den Bebauungs- / Nutzungsvarianten eine schlüssige und die marktwirtschaftlichen Gegebenheiten berücksichtigende Konzeption zur Nachnutzung dieses innenstadtnahen Areals direkt am Wasser auf.

Historie / Denkmalschutz

Die Kalksandsteinfabrik der Firma H. F. Kistner ist aus wissenschaftlichen (industriegeschichtlichen) Gründen (erste Generation der Kalksandsteinfabriken in Deutschland), vor allem aber aus heimatgeschichtlichen Gründen (Kistner prägte maßgeblich das Baugeschehen an der Unterweser) ein Kulturdenkmal gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 1 Bremisches Denkmalschutzgesetz. Denkmalgeschützt sind der Schornstein der Kalksandsteinfabrik, dessen weithin sichtbarer Schriftzug der Firma in besonderer Weise geeignet ist, als Symbol für die lange Tradition der Firma H. F. Kistner an diesem Ort zu stehen, und die von einer flachen Tonne überwölbte Halle, in der ursprünglich die Steinpressen gestanden haben. Entsprechend der Stellungnahme des Landesamtes für Denkmalpflege Bremen vom August 2009 ist „die große, stützenfreie Halle des Pressenhauses“ … „aufgrund ihrer innovativen Dachkonstruktion als Zweigelenkbogendach in Eisenbeton das konstruktionsgeschichtlich gesehen interessante Gebäude des Ensembles und geeignet, die Produktion des Baumaterials Kalksandstein zu veranschaulichen.“

 

Laut gutachterlicher Stellungnahmen des Ingenieurbüros KSF Feld & Partner vom März 2008 und Oktober 2014 befand sich der Schornstein in einem schlechten baulichen Zustand mit der Gefahr großflächiger Ablösungen. Die Pressenhalle weist diverse Schäden - fehlende Dachabdichtung, teilweise geschädigte Stahlbetonkonstruktion, setzungsbedingte Risse im Mauerwerk u.a.m. - auf. Hinzu kam, dass die Giebel bislang größtenteils Innenwände waren und nach Abriss der angebauten, nicht denkmalgeschützten Gebäude zur Aufnahme der vollen Windlasten ausgesteift werden mussten.

Städtebau

Um eine tragfähige, gemeinsame Gestaltungsleitlinie für sämtliche geplanten Objekte (Wohnen, Einzelhandel, Gewerbe und ggf. Kultur) unter Berücksichtigung des Denkmalschutzes / Umgebungsschutzes unter den vorgenannten Maßgaben zu finden, haben Dezernat I und BIS einen städtebaulichen Ideenwettbewerb für das gesamte Gebiet (Teile 1 und 2) ausgelobt. Dabei waren die genannten Rahmenbedingungen – Erschließung, Art und Maß der baulichen Nutzung, Fortführung Geeste-Wanderweg, Denkmalschutz mit den genannten Einschränkungen etc. – zu berücksichtigen. Die Umsetzung der einzelnen Projekte über Wettbewerbe wurden durch klare gestalterische / städtebauliche Zielvorgaben erleichtert. Die Umsetzung des Bebauungsplanes Nr. 409 und die 17. Flächennutzungsplanänderung erfolgten durch das Stadtplanungsamt nach Abschluss und auf Grundlage des städtebaulichen Ideenwettbewerbs.

Einordnung ins städtebauliche Umfeld / Auswirkungen des Projekts

Das Stadtentwicklungsvorhaben Kistner-Gelände liegt im Süden von Lehe im Ortsteil Klushof an der Grenze zum Ortsteil Goethestraße. Diese Quartiere sind durch mehrgeschossige Gründerzeitbebauung bzw. kleinteiligere Wohngebäude im Bereich des Aueviertels vor der Jahrhundertwende geprägt. Die das Plangebiet begrenzende Hafenstraße weist eine vielfältige Einzelhandelsstruktur auf. Allerdings ist die Nahversorgung in der Umgebung des Planbereichs aufgrund eher kleinerer Märkte mit reduziertem Angebot als unzureichend einzustufen. Bewohner des benachbarten Ortsteils Goethestraße und die Stadtteilkonferenz Lehe beklagen seit längerem das mangelnde Frischeangebot vor Ort und sehen daher einen dringenden Bedarf zur Ansiedlung eines Nahversorgers in fußläufiger Erreichbarkeit.

Mit den auf dem ehemaligen Kistner-Gelände vorgesehenen Nutzungen - Verbrauchermarkt an der Hafenstraße, Hostel mit Gastronomie auf dessen Rückseite, mehrgeschossiger Wohnungsbau mit Mietwohnungen im Anschluss an die denkmalgeschützten Anlagen - und aufgrund seines integrierten und landschaftlich reizvollen Standorts, besteht die Chance, dieses Areal zu einem attraktiven und lebenswerten Ort in Lehe zu entwickeln. Dementsprechend stellt das Integrierte Handlungskonzept Lehe-Goethequartier diese Planung als wichtiges Impulsprojekt dar, das auf die benachbarten Siedlungsbereiche ausstrahlen und zu positiven Wechselwirkungen mit den Quartiersentwicklungen im Klushof, einschließlich Grünvernetzung zum Saarpark, und im Ortsteil Goethestraße führen wird.

Wettbewerb

Ausgangspunkt für den Ideenwettbewerb war die gemeinsame Absicht der Stadtgemeinde Bremerhaven, vertreten durch die Bremerhavener Investitionsgesellschaft (BIS) sowie GEWOBA, STÄWOG, PROCON und WÜBBEN Immobilien zukünftige Entwicklungsimpulse für die ehemaligen Gewerbeflächen des Kistner-Geländes (Teilbereich I und II) an der Geeste städtebaulich zu strukturieren. Angestrebt wurden ein städtebauliches Konzept und gestalterische Vorschläge für Architektur und Freiraumplanung für ein neues Wohn- und Mischgebiet an der Geeste. Dieses Konzept soll auch als Grundlage für die Entwicklung neuen Planungsrechtes für das Gebiet dienen.

Hier der Gewinner: Spengler & Wiescholek Architekten Stadtplaner

 

Finanzierung über Mittel der EFRE-Förderung und der Städtebauförderung

Die Herrichtung des Geländes wird aus Mitteln des Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE- Programm 2014-2020), aus Mitteln der Städtebauförderung (Stadtumbau West) sowie aus städtischen Mitteln fin

Die Herrichtung des Geländes wird aus Mitteln des Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE- Programm 2014-2020), aus Mitteln der Städtebauförderung (Stadtumbau West) sowie aus städtischen Mitteln finanziert.

Die EFRE-Beteiligung bezieht sich auf 39,15 % der zuwendungsfähigen Kosten zur Herrichtung der Gewerbebrache im Bereich der öffentlichen Flächen und Gebäude, d.h. den Anteil von EU und Bund. Dies beinhaltet folgende Maßnahmen:

  1. Sicherungsmaßnahmen zur Geeste – Erneuerung der Kaje (Spundwand)
  2. Abriss von nicht denkmalgeschützten Gebäuden und Altlastenbeseitigung
  3. Sanierung des denkmalgeschützten Schornsteins und
  4. Herstellung der Promenade und Freiflächen

Die Projektleitung und Projektsteuerung dieser EFRE-Leistungen erfolgt über die BIS.

 

Umsetzung/Vorbereitung

Eine offizielle Bauschildeinweihung fand am 12.01.2018 statt, die Abbrucharbeiten der Gebäude starteten daraufhin. Parallel zu den Abbrucharbeiten wurden erste Schritte zur Sanierung des denkmalgeschützten Schornsteins eingeleitet. In einem ersten Schritt soll der zur Hafenstraße ausgerichtete rd. 14.800 m² große Grundstücksteil entwickelt werden. Der unmittelbar an der Hafenstraße vorgesehene Verbrauchermarkt ist als Teil der Straßenrandbebauung mit geschlossener Fassadenfront und mehrgeschossig konzipiert. Die erforderlichen Stellplätze sollen rückwärtig auf dem Gebäudedach und verdeckt durch den straßenseitigen Baukörper angeordnet werden. Eine Eröffnung erfolgt im Herbst 2020.

Neben der Sanierung des denkmalgeschützten Schornsteins (Abschluss im Frühjahr 2020) wird auch die ehemalige Pressenhalle saniert. Letzteres wird im Rahmen der Errichtung des Hostels als private Maßnahme vorgenommen, die Halle wird in die Nutzung integriert.

Die Wohnungsgesellschaften STÄWOG und GEWOBA beabsichtigen im direkten Anschluss an die denkmalgeschützten baulichen Anlagen die ersten vier Geschosswohnungsbauten zu errichten. Mit einem Baubeginn wird derzeit im Frühjahr 2020 gerechnet. Der östlich zur Stadthalle ausgerichtete Teil (2. Bauabschnitt – ehemaliges Metallbaugelände) ist später vorgesehen. Hier sind mindestens 20 % für den sozialen Wohnungsbau vorgesehen. Derzeit wird die Fläche als temporärer Schulstandort genutzt.

Der Skaterpark mit Parcours wurde inzwischen realisiert.

Weiterhin wurde der Ausbau der Werftstraße mit den dafür notwendigen Kanalbauarbeiten seitens der Stadt Bremerhaven durchgeführt. Die Werftstraße ist nicht als durchgehende Erschließungsstraße und damit als Abkürzung zum Baumarkt konzipiert, sondern im Sinne einer adäquaten Verkehrsverteilung und –beruhigung in etwa mittiger Lage für den Kfz-Verkehr unterbrochen.

Aktueller Baufortschritt – öffentliche Flächen

Die Abrissarbeiten sowie die Altlastenentsorgung wurden bereits abgeschlossen. Ebenso konnte die Sanierung des denkmalgeschützten kulturhistorisch wertvollen Schornsteins abgeschlossen werden. Im Rahmen der Untersuchungen während der Bauphase wurde festgestellt, dass viele statische Elemente nicht ausgetauscht werden mussten. Dennoch stellte die Sanierung eine Herausforderung dar: Bei der Auswahl der notwendigen Steine als Ersatz für die beschädigten Steine konnten die vorhandene Steinart aufgrund der aktuellen DIN-Normen nicht mehr verwendet werden. Aus diesem Grund musste ein Alternativstein ausgewählt werden, dessen Ton letztendlich einen Kontrast zu dem vorhandenen Farbton bildet. Von der Denkmalschutzbehörde wird dieser Kontrast als Wahrnehmung der Veränderung begrüßt.

Die Maßnahmen im Rahmen der Kajensanierung wurden im Juni 2019 begonnen. Die Rammarbeiten für die Spundwand beschränkten sich dabei vor allem auf die Sommerferien. Die Arbeiten zur Einbringung der Spundwand und die erste Schüttstufe wurden im Jahr 2019 fertiggestellt. Weitere Schüttstufen erfolgten im Frühjahr 2020. Des Weiteren wurde die bestehende Kaje abgebrochen und in einem Teilbereich eine Hochwasserschutzmauer errichtet. Auf der Böschung wurde das Deckwerk verlegt, welches im Anschluss eine naturnahe Begrünung erhielt. Die bauliche Umsetzung der Kajensanierung wurde 2020 abgeschlossen.

Im Anschluss an die Kajensanierung kann das letzte Gewerk der Freiflächen realisiert werden. Nach umfangreichen Abbrucharbeiten an der Kaje und dem Bau der Sickerschürze haben erhebliche Bodenbewegungen stattgefunden, die die Ergebnisse der Baugrunduntersuchungen für die Freiflächenplanungen sowie dessen Ausschreibung verzögert haben. Diese letzte Umsetzung im Bereich der öffentlichen Flächen soll in diesem Jahr realisiert  werden.

 

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