September 2020 / Tag der Stadtgeschichte

Trotz Hygieneauflagen wird auch 2020 an "Orten der Diktatur" an die NS-Herrschaft erinnert

„150 Schaulustige guckten zu, keiner leistete Hilfe“, rief Janne Rosch die Zerstörung der Bremerhavener Synagoge in der Schulstraße ins Gedächtnis. Am 18. September erinnerten Schülerinnen und Schüler an Verfolgung, Krieg und Vernichtung während der nationalsozialistischen Diktatur. Der Tag der Stadtgeschichte findet seit 2015 statt und fällt auf das Datum des Bombenangriffs auf die Seestadt, bei dem am 18. September 1944 über 600 Menschen starben und mehr als 30.000 Einwohner ihr Zuhause verloren.

Stationen im gesamten Stadtgebiet

Jugendliche arbeiten für Jugendliche Aspekte der Geschichte auf, die Federführung lag diesmal bei der Gymnasialen Oberstufe des Schulzentrums Geschwister Scholl. An 50 ausgewählten „Orten der Diktatur“ brachten 150 Scholl-Schülerinnen und -Schüler den Bremerhavener Abschlussklassen der Sekundarstufe I mit Vorträgen, Präsentationen und szenischen Präsentationen die Schrecken der jüngeren deutschen Vergangenheit nah, alle Veranstaltungen waren mit Einschränkungen auch öffentlich. Vom Umgang der Nazis mit der Presse wurde ebenso berichtet wie vom Verbot der Gewerkschaften, erinnert wurde an Verfolgung und Deportation.

In der Stadtbibliothek war die Bücherverbrennung das Thema, am Busse-Denkmal konnte man etwas zu Massenveranstaltungen während der Diktatur erfahren, in der Schule am Ernst-Reuter Platz informierte eine Arbeitsgruppe über den Jugendprotest gegen den Nationalsozialismus. Die Stationen zogen sich an diesem Tag durch die gesamte Stadt, reichten von der Leherheider Fritz-Husmann-Schule und dem Vortrag über Luftschutzmaßnahmen bis zum Wulsdorfer Kulturladen und dem Referat über die Neuwahlen zum Reichstag. Der Bombenangriff auf Bremerhaven wurde vor der Großen Kirche in Szene gesetzt, am Stadttheater gemahnte der Kurs Darstellendes Spiel an die Gleichschaltung der Kultur.

Der eigenen Vergangenheit nachspüren

„Der ‚Blick zurück nach vorn‘ ist wichtig, um Lehren aus der Geschichte unserer Stadt zu ziehen und die Werte daraus ableiten zu können, die wir heute und in der Zukunft miteinander teilen wollen“, betonte Schuldezernent Michael Frost. Obwohl der diesjährige Tag der Stadtgeschichte keiner wie jeder andere war und die notwendigen Hygienekonzepte allen Beteiligten einiges abverlangten, bleibt er für die Jugendlichen enorm wichtig. „Ziel dieses Tages ist es, der eigenen Vergangenheit nachzuspüren und aufzudecken, an welchen Orten in Bremerhaven sich historische Ereignisse zugetragen haben“, so Frost weiter. „Die Verbrechen des Nationalsozialismus sind keine abstrakten Themen für Geschichtsbücher, sondern sie haben sich auch in den Häusern, auf den Straßen und Plätzen unserer Stadt zugetragen.“

So zum Beispiel am Alten Hafen, wo die Scholl-Schülerinnen Talisha Stransky, Lara Klockmann und Kimberly Runge über das „Gespensterschiff“ informierten. Von Mai bis Oktober 1933 lag hier ein schwimmendes Gefängnis, in dem die SA unliebsame Oppositionelle gefangen hielt, folterte und zu Geständnissen prügelte. Für ihre Präsentation der Schrecken wurde das Schülerinnen-Trio mit dem Harry-Gabcke-Preis ausgezeichnet, der jedes Jahr zum Tag der Stadtgeschichte in Bremerhaven verliehen wird.

Download der Karte "Orte der Diktatur" (PDF, 11,4 MB)(PDF 11,4 MB)