Sicherheit erhöhen, Leistungsmissbrauch aufdecken und verhindern

Auf Antrag von SPD und CDU wurde im Mai 2017 im Ausschuss für Öffentliche Sicherheit dann durch den Magistrat eine „dezernatsübergreifende Expertenkommission zur Gefahrenfrüherkennung in Problemimmobilien“ als präventive Maßnahme zum Schutz der Bewohner/Mieter eingerichtet.

Diese Expertenkommission ist Teil einer umfassenderen Strategie, in Bremerhaven unwürdige und gefährdende Wohnverhältnisse sowie Missbrauch sozialer Leistungen u. a. bei  Armutszuwanderung zu bekämpfen. Deshalb bestehen neben der Expertenkommission zur Gefahrenfrüherkennung in Problemimmobilien bereits die Arbeitsgruppe  „Schrottimmobilien“ (Federführung Stadtplanungsamt) sowie seit Februar 2017 unter der Federführung des Jobcenters Bremerhaven die Arbeitsgruppe „Leistungsmissbrauch“. Eine Aufgabe der Lenkungsgruppe besteht darin, für eine Kommunikation und Abstimmung der drei Arbeitsgruppen zu sorgen. Ihr wird aus den bestehenden Arbeitsgruppen berichtet.   

Expertenkommission

In einem ersten Arbeitsschritt der „Expertenkommission“ wurden Kriterien für Mindeststandards und Unbewohnbarkeit für Bestandsbauten entwickelt und mögliche Problemimmobilien identifiziert und aufgelistet. Ziel ist

A     Problemimmobilien zu identifizieren, die brandschutztechnischen Mindeststandards festzulegen und die Bearbeitung zu priorisieren,

B     präventive Brandschauen in Problemimmobilien (Bauordnungsamt/Feuerwehr, ggfs. weitere Beteiligte anlassbezogen) durchzuführen, um unverzüglich brandschutztechnische Mängel in Problemimmobilien hinsichtlich bauaufsichtlicher Belange im Rahmen bestehender gesetzlicher Möglichkeiten vor Ort abzustellen,

C    bestehende gesetzliche Vorgaben zu evaluieren, zu bewerten und ggfs. anzupassen.

In diesem Zusammenhang muss festgehalten werden: Da im Lande Bremen hauptamtliche Brandschauen nicht als Pflichtaufgabe der Feuerwehren gesetzlich definiert wurde, muss ein sogenannter Eingriffslevel definiert werden (welche Informationen von wem führen zu einer „anlassbezogenen“ Brandschau; wer nimmt an den Brandschauen teil, was führt zu einer unmittelbaren Nutzungsuntersagung, was kann wie lange toleriert, werden etc.).

Die Zuständigkeit- und somit die Verantwortung der anlassbezogenen Brandverhütungsschau liegt bei der unteren Bauaufsichtsbehörde. Die Baubehörde kann zusätzliche Sachverständige (z.B. Statiker etc.) hinzuziehen. Eine Teilnahme der Feuerwehr muss hier, bei brandschutztechnischer Relevanz, obligatorisch sein.

Es werden nun Mindeststandards und Unbewohnbarkeitskriterien entwickelt, die Problembereiche identifizieren sollen. Dieser Prozess ist noch nicht abgeschlossen, die entsprechenden Listen werden fortlaufend bewertet bzw. erweitert. Fortlaufend werden in den nächsten Monaten nun mögliche Problemimmobilien im Rahmen des präventiven Brandschutzes vor Ort begangen.

Arbeitsgruppe „Leistungsmissbrauch“

Der Arbeitsgruppe „Leistungsmissbrauch“ gehören unter Federführung des Jobcenters folgende Ämter (nicht nur des Magistrats) an: Schutzpolizei, Kriminalpolizei, Gesundheitsamt, Bauordnungsamt, Familienkasse, Bürger- und Ordnungsamt, Feuerwehr, Zoll und Steuerfahndung.

Seit 2013 gehen in der Stadt Bremerhaven Akteure mit unterschiedlicher Akzentsetzung gegen den Bezug von Problemimmobilien und den Sozialleistungsmissbrauch vor. Die systematische Vernetzung mit weiteren Akteuren wie z B. der Ausländerbehörde, der Familienkasse, der Polizei und der Zollverwaltung war nicht gegeben. Seit Februar wurde mit der Einrichtung der Arbeitsgruppe „Leistungsmissbrauch“ die Grundlage für die Vernetzung geschaffen.

Die Aufgaben der verschiedenen Akteure sind folgende:

Die Familienkasse sorgt für Transparenz über die rechtlichen Voraussetzungen für den Bezug und die Beantragung von Kindergeld. Über die Familienkasse können Daten zur Anzahl von Kindergeldberechtigten ein erster Schritt für die Identifizierung auffälliger Immobilien sein.

Der Zoll bringt seine Kompetenz bei der Prüfung von Schwarzarbeit und zu fingierten Arbeitsverhältnissen bzw. Scheinselbständigkeit ein. Geprüft werden gegebenenfalls Geschäftsunterlagen, ob die beschäftigten Arbeitnehmer nach tariflichen oder gesetzlichen Mindestlohnbestimmungen vergütet werden, ob ausländische Arbeitnehmer mit der erforderlichen Genehmigung arbeiten und nicht zu ungünstigeren Bedingungen  beschäftigt werden und ob die Arbeitgeber ihren steuerlichen Pflichten nachkommen. Hier ist auch die Steuerfahndung eingebunden.

In regelmäßigen Treffen der Arbeitsgruppe werden Informationen ausgetauscht, u. a. können nach Hinweisen der Beteiligten über das Bürger- und Ordnungsamt sogenannte Hauslisten mit den an der jeweiligen Adresse gemeldeten Personen mit Leistungsbeziehern der Jobcenters abgeglichen werden. Sind Personen abgemeldet oder wurden Personen von Amts wegen abgemeldet, ohne dass neue Adressen bekannt sind, stellt das Jobcenter seine Zahlungen bis auf weiteres ein. Überbelegungen können übrigens nicht über die Meldedaten festgestellt werden, weil das Bürger- und Ordnungsamt nicht über Informationen verfügt, aus denen sich ergibt, welche Wohnung unter der Meldeadresse bezogen wird.

Durch die Ermittlungen nach leerstehenden Häusern durch die „Expertenkommission“  wurde vielmehr das Gegenteil festgestellt: Es sind unter bestimmtem Anschriften mehr Personen gemeldet, als dort tatsächlich wohnen.

Bei einem „Aktionstag“ wurde in einer gemeinsamen Aktion ein als Problemimmobilie eingeschätztes Haus in Lehe aufgesucht. Auffällig an dem Haus ist, dass die Wasserversorgung über eine Gartenpumpe und miteinander verbundene Wasserbehälter erfolgt. Das Haus macht von außen einen ordentlichen Eindruck, das Treppenhaus ist auch in Ordnung. Es wurden in fast allen Wohnungen Bewohner angetroffen. Die Bewohnerinnen und Bewohner waren kooperativ und freundlich; sie machten keinen zufriedenen Eindruck hinsichtlich ihrer Wohnsituation. Zwei Mieterinnen fragten ausdrücklich nach, ob sie nicht in eine andere (bessere) Wohnung ziehen könnten. Antwort der Mitarbeiter des Jobcenters: Sie müssten eine andere Wohnung finden, die dann anmelden und genehmigen lassen. Das Problem: Die kinderreichen Familien finden so leicht keine anderen Wohnungen.

Fazit: Es wurden elf unter dieser Adresse Gemeldete nicht angetroffen, es wäre für diese auch kein Platz vorhanden; die elf Leute werden von Amts wegen abgemeldet. Drei davon waren Leistungsempfänger des Job-Centers, die nun auch abgemeldet werden.

Ein interessantes Detail hat sich gezeigt: An den Briefkästen sind mehr Namen angebracht als in dem Haus wohnen. Wie aus Befragungen geschlossen werden kann, werden die Briefkästen sozusagen vermietet und von einem Verwalter geleert. Deshalb kommen entsprechende Leistungsbescheide auch nie zurück. Das ist sozusagen die Schmalspurvariante dessen, was man gemeinhin unter Briefkastenfirma versteht.

Dieser Aktionstag gilt als erfolgreich, weil in der Zusammenarbeit der verschiedenen Bereiche von Jobcenter, Magistrat und Zoll/Finanzbehörde mehrere problematische Tatbestände identifiziert und in ersten Ansätzen behoben werden konnten.

AG verwahrloste Immobilien („Schrottimmobilien“)

Der AG Verwahrloste Immobilien („Schrottimmobilien“) gehören unter der Federführung des Stadtplanungsamts das Bauordnungsamt, die Stadtkasse, zwei externe Moderatoren, das Rechtsamt, der Gutachterausschuss des Vermessungs- und Katasteramtes, die Quartiersmeister Lehe und Alte Bürger sowie der Standortmanager für Geestemünde und Seestadt Immobilien an. Die AG versucht Immobilien, die einen städtebaulichen Missstand darstellen, zu identifizieren und gegebenenfalls per Vorkaufsortsgesetz bzw. Unterstützung/Vermittlung in Verkaufsverhandlungen einer Sanierung oder neuen Nutzung zuzuführen. Deren Ergebnisse werden vor allem durch das Bauordnungsamt in die anderen Gremien eingespeist.

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