Rede von Oberbürgermeister Melf Grantz bei der Grundsteinlegung für die Fatih-Moschee am 20. 3. 2011

Anrede,

„Der Islam gehört inzwischen auch zu Deutschland“ – für diese Feststellung bei seiner Rede zum Tag der Deutschen Einheit am 3. Oktober 2010 in Bremen ist Bundespräsident Christian Wulff zum Teil heftig kritisiert worden. Dabei zeigen Orte wie dieser, an dem wir uns heute versammelt haben, dass das deutsche Staatsoberhaupt etwas Selbstverständliches gesagt hat. Denn schon bald wird sich hier, am Rande des Fischereihafens, ein Minarett über einer Moschee erheben. Und dieses Minarett wird dann ebenso zum Bremerhavener Stadtbild gehören wie die Türme der christlichen Kirchen. Heute legen wir für die Fatih-Moschee den Grundstein, die 130 Gemeindemitgliedern eine geistliche Heimat bieten soll, und ich freue mich sehr, dass mich die Islamische Union zu diesem Zeremoniell eingeladen hat.

Ich bin gern zu Ihnen gekommen, weil ich der Oberbürgermeister aller Bremerhavenerinnen und Bremerhavener bin, unabhängig von ihrer Zugehörigkeit zu einer Religion. Bremerhaven ist nicht nur eine weltoffene Stadt, sondern auch eine Stadt der Glaubensvielfalt. Deshalb freue ich mich auch, dass heute auch viele Vertreterinnen und Vertreter anderer Religionen anwesend sind. Rund 50 000 Menschen in unserer Stadt, also fast die Hälfte der Bevölkerung, gehören einer evangelischen Kirchengemeinde an, rund 12 000 sind Katholiken, immerhin etwa 6000 Muslime. Und zahlreiche Bürgerinnen und Bürger gehören auch gar keiner Kirche an.

Sie alle, welchen Glaubens oder Nichtglaubens auch immer, leben friedlich und weitgehend harmonisch miteinander. Viele Menschen mit Migrationshintergrund sind bereits in den 60er und 70er Jahren des vergangenen Jahrhunderts in unsere Stadt gekommen, aus Portugal und der Türkei, aus Italien, Spanien und vielen anderen Ländern. Sie sind längst zu Bremerhavenern geworden, oft schon in der dritten Generation, und sie haben einen Anspruch darauf, dass sie in ihrer neuen Heimat ebenso ihre religiöse und kulturelle Identität wahren, wie es deutschstämmige Migranten seit der Auswanderungswelle des 19. Jahrhunderts in Amerika tun.

Natürlich verlangt uns allen das Zusammenleben von Menschen unterschiedlicher Kulturen einiges an Toleranz und gegenseitiger Achtung ab. Nicht immer ist es einfach, unbekannte oder ungewöhnliche Lebensgewohnheiten zu akzeptieren, und oft gibt es auch Vorbehalte gegen das vermeintlich „Fremde“ – sei es aus Unkenntnis oder fehlendem Einfühlungsvermögen.

Deshalb äußerten Anwohner auch Bedenken gegen den ursprünglichen Plan, die Fatih-Moschee östlich der Georgstraße zu bauen. Diese Bedenken sind in Offenheit und gegenseitigem Vertrauen ausgeräumt worden. Jetzt wird dieses religiöse Zentrum etwas kleiner und hier an einem Standort gebaut, der sich für den Bau einer großen Moschee sehr gut eignet. Mein Dank gilt der Islamischen Union, dass sie diese Lösung mitgetragen hat, mit der jetzt alle Beteiligten zufrieden sein können.

Meine Damen und Herren, mit dem Bau dieser Moschee setzt die muslimische Gemeinde ein weithin sichtbares Zeichen der Integration in die Bremerhavener Stadtgesellschaft, in eine Stadt für alle. Die Fatih-Moschee ist auch ein Stück Normalität, denn sie steht dafür, dass sich die Menschen, die sich in diesem Glaubenszentrum versammeln, in Bremerhaven zu Hause fühlen. Wer baut, der bleibt – so heißt es mit gutem Grund. Wer baut, möchte sich auch nicht abgrenzen, sondern dazugehören. Das ist nicht nur ein berechtigter Wunsch der muslimischen Mitbürgerinnen und Mitbürger, sondern auch eine Voraussetzung für eine erfolgreiche Integration. Keiner von uns will und akzeptiert Parallelgesellschaften.

Integration kann nicht die Aufgabe kultureller Wurzeln und der eigenen Persönlichkeit bedeuten. Integration ist die Zugehörigkeit zu einer Gemeinschaft, zu unserer Stadt Bremerhaven und zur Bundesrepublik Deutschland. Wer sich hierzu bekennt, ist ein Gewinn für unsere Gesellschaft. Und er gehört damit ebenso zu Deutschland wie seine Religion, die für ihn einen wesentlichen Teil seiner Identität ausmacht. Man kann nicht stolz auf die Leistungen eines Mesut Özil sein und gleichzeitig erklären, dass sein islamischer Glaube nicht zu Deutschland gehört.

Allerdings können und müssen die Migranten wie auch die Bremerhavener ihren Beitrag zur Integration leisten. Der Schlüssel zur erfolgreichen Teilhabe an unserer Gesellschaft ist die Bildung, und deshalb möchte ich die Bitte an unsere türkischstämmigen Mitbürgerinnen und Mitbürger richten: Nutzen Sie die Chancen zur Bildung und Ausbildung für sich und Ihre Kinder. Sprechen Sie mit Ihren Kindern Deutsch, was nicht bedeutet, die Muttersprache ablegen zu müssen. Doch für Ihre Kinder ist es unerlässlich, schon zu Hause die deutsche Sprache zu lernen, um in der Schule bestehen zu können. Und nehmen Sie die vielen Möglichkeiten wahr, aktiv durch Bildung am Leben in unserer Stadt teilzunehmen.

In diesem Sinne wünsche ich Ihnen und Ihrer Gemeinde alles erdenklich Gute und danke allen, die an der Planung und Vorbereitung dieses Moscheebaus beteiligt waren. Neben den Baufirmen werden zahlreiche Gemeindemitglieder mit Eigenleistung am Innenausbau mitwirken. Dafür wünsche ich allen viel Erfolg und hoffe, dass wir schon bald das Richtfest und dann schließlich die Einweihung feiern können. Darauf freue ich mich sehr. Nochmals herzlichen Dank für die Einladung und für Ihre Aufmerksamkeit!

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