Verwunschenes Idyll zwischen Weser, Wind und Wellen: das Wilke-Atelier

Deichhaus macht Kunstbesuch zum einmaligen Erlebnis


Wohl kaum ein Ort an der deutschen Nordseeküste ist so einzigartig wie das Wilke-Atelier in Bremerhaven. Das malerische weiße Holzhaus am Alten Vorhafen steht nicht nur vor dem Deich anstatt wie üblich dahinter. Hier hat auch der bekannte deutsche Maler Paul-Ernst Wilke jahrzehntelang gearbeitet. Heute ist das Atelier ein kreativer Schaffensort für Künstler aus aller Welt und offen für Besucher.

„Dass wir überhaupt noch mit dem Atelier vorhanden sind, grenzt an ein Wunder“, lacht die Vorsitzende des Fördervereins, Liebhild Grotrian-Pahl. Fast andächtig streicht sie mit der Hand über die weiße Lamellen-Holzverkleidung des verspielten Häuschens mit seinen blauen Fensterrahmen und den kleinen Dach-Gauben.  „Immerhin könnte jede Sturmflut hier vor dem Deich abhängig von der Wellenhöhe die letzte sein.“
Seit das Haus 1948 von Paul-Ernst Wilke gebaut wurde, hatte die wilde Natur der Nordsee offenbar ein Einsehen. Bis heute steht das Atelier an der ehemaligen Einfahrt zum Alten Hafen mit dem malerischen Blick über Hafenbecken, Wasser und direkt auf die Fischereihafenschleuse. „Das war es wohl auch, was Paul-Ernst Wilke an diesen Ort gezogen hat: Die Nähe zum Wasser und zum spannenden Hafengeschehen mit den großen Schiffen – die Weser direkt vor der Nase, mit Palette, Leinwand und Pinsel“, vermutet die Vereinsvorsitzende.

Besonders die maritimen Motive hatten es Paul-Ernst Wilke als Sohn der Stadt Bremerhaven angetan. Wie viele Bilder der Impressionist bis zu seinem Tod 1971 gemalt hat, ist nicht genau bekannt. Immerhin hat Wilke besonders in der harten Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg oft mit Bildern statt Geld bezahlt. Seine Werke aus rund 50 Jahren Schaffenszeit sind deshalb nicht nur in öffentlichen Galerien und Museen zu finden, sondern auch in manchem Privathaushalt.

„Wenn Wilke auch ab 1924 viel unterwegs war und in Bremen, Worpswede, Hamburg, Italien, Paris oder Schweden gemalt hat – es hat ihn immer wieder in seine Heimatstadt zurückgezogen“, sagt Liebhild Grotrian-Pahl. Zwischen 1923 und 1929 war es auch, wo er mit seiner jungen Ehefrau - der späteren bekannten Sängerin Lale Andersen – zahlreiche dieser Studienreisen unternahm.

Paul-Ernst Wilke hatte die 17-jährige Lise-Lotte Bunnenberg in Bremerhavener Stadtteil Lehe kennengelernt und bereits 1922 geheiratet. Er hatte mit ihr gemeinsam drei Kinder. 1929 packte seine Frau allerdings ihre Koffer und zog nach Berlin, um dort als Sängerin zu arbeiten und Theater zu spielen. Mit dem Lied „Lale Andersen“ wurde sie unter dem Künstlernamen Lale Andersen weltberühmt. 1931 wurde die beiden geschieden.

Der lebenslangen Verbundenheit von Paul-Ernst Wilke zu Bremerhaven sind zum Beispiel Werke wie das großformatige Ölbild des legendären Oceanliners „United States“ an der Columbuskaje aus dem Jahr 1955 zu verdanken. Das kleine Atelier am Alten Vorhafen hat er immer wieder als Rückzugsort für neue Schaffenskraft und zum Arbeiten genutzt.

Es ist deshalb ein erstaunliches Gefühl, die schmale Holztreppe zur Eingangstür des Ateliers hinaufzugehen – in dem Wissen, dass an dieser Stelle auch Wilke mit seinen Ideen, Motiven und Malerutensilien hochgestapft ist. „Natürlich ist hier einiges saniert worden – zum Beispiel die Wände mit Wärmedämmung. Sonst wäre es im Winter etwas schwierig, in dem kleinen Holzhaus direkt am Deich künstlerisch zu arbeiten“, schmunzelt Grotrian-Pahl.  

Das kann Simon Hof bestätigen. Der deutsche Keramik-Künstler hat das Stipendium im Wilke-Atelier für Januar und Februar bekommen: „Es ist hier richtig kuschelig. Tee, Kaffee, ein paar Kekse dazu?“. Diese Frage stellt er auch den Besuchern, die oft spontan klopfen, um ihm bei der Arbeit zuzusehen oder sich zu unterhalten. „Hier vorne am großen Seitenfenster gehen viele Leute hoch zum Deich. Die sehen mich hier arbeiten, winken, ich winke zurück und schon kommen sie rein“, lacht Hof gut gelaunt. Er fühlt sich sichtlich wohl in dem Häuschen mit kleinem Garten, Birken, Flieder und Hecke drum herum.

Der 53-jährige formt seit einigen Wochen hier im gut 30 Quadratmeter großen Hauptraum des Ateliers seine Tonfiguren. „Es sind Muscheln oder auch Quallen vom Motiv her. Schließlich sind wir am Meer und das hat mich inspiriert“, erzählt Hof. Er schätzt besonders, dass in dem klaren weißen Atelierraum nichts von der Arbeit ablenkt. Den Geist von Paul-Ernst Wilke hat Simon Hof dabei in den Holzwänden rund herum nicht verspürt. „Dafür sind schon viel zu viele Künstler in den vergangenen Jahrzehnten hier am Werk gewesen – genauer gesagt seit 1984“, lacht er.

Denn dass das Wilke-Haus heute noch steht, ist nicht selbstverständlich. Anfang der 1980er-Jahre sollte das kleine Holzhaus abgerissen werden.  Paul-Ernst Wilke als Nutzer war 1971 im Alter von 77 Jahren nach einem Schlaganfall gestorben. Die Lage der Immobilie vor dem Deich – also nicht sturmflutgeschützt - war der Stadt Bremerhaven als Eigentümerin des Grundstücks ein Dorn im Auge. Doch die Abrisspläne scheiterten am Widerstand der Bremerhavener, die ihren Paul-Ernst Wilke lieben.

„Vor allem auf Betreiben des Ehepaares von Wicht wurde 1984 der Förderverein gegründet“, erzählt die heutige Vorsitzende Grotrian-Pahl. „Das Haus wurde größtenteils über Spenden saniert. Seitdem kommen Künstler aus aller Welt her, um hier in Ruhe zu arbeiten.“ Deutschland, Frankreich, Holland, Dänemark, Polen, Tschechei – sogar aus Japan waren schon Künstler im Wilke-Atelier. Gefördert wird das Stipendium vom Kulturdezernat der Stadt Bremerhaven.  Enno von Wicht wurde für seinen Einsatz zum Erhalt der Kulturstätte noch zu Lebzeiten mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet

So ist das Wilke-Atelier am Alten Vorhafen ein Ort der Begegnung zu jeder Jahreszeit. „Hier ist immer geöffnet. Die aktuellen Ateliernutzer entscheiden, wann sie Zeit und Lust haben, sich zu unterhalten. Einfach klopfen oder klingeln. Man kann auch hier direkt vom Künstler etwas kaufen, wenn ein Objekt gefällt“, ermuntert Liebhild Grotrian-Pahl. Im Sommer sitzen Künstler und Besucher auch gern mal zusammen im Vorgarten des Ateliers auf der Holzbank, trinken ein Glas Wein und gucken aufs Wasser – so wie das schon Paul-Ernst Wilke getan hat.

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