Homeoffice auf dem Meer

Krabbenfischer als Soloteam auf Fangfahrt

Arbeiten von Zuhause aus – durch Corona war das für viele Arbeitnehmer eine Umstellung. Wer sich dafür ganz und gar nicht neu orientieren musste, war Hans-Joachim Reim. Der Bremerhavener Krabbenfischer geht seit jeher allein auf Fangfahrt. Homeoffice auf dem Wasser und bis zum Horizont niemand zu sehen.
„Da draußen bist Du ganz auf Dich gestellt“, sagt Hans-Joachim Reim. Der 79-Jährige steht an Bord seines Krabbenkutters „Steinbock“ im Bremerhavener Fischereihafen und überprüft das Tauwerk. Er kann sich auf seine rauhen Hände ebenso verlassen wie auf seine wachen, blauen Augen. „Vorausschauend fahren“, sagt er und zeigt auch gleich mal im kleinen Brückenhaus, was er damit meint. Jede Menge Technik, Radar, Bildschirm, Funk und Wettervorhersage.

„Zuhause am Schreibtisch ziehst Du die Vorhänge zu, wenn´s stürmisch wird. An Bord geht das nicht. Ich bin Wind und Wetter ausgesetzt und muss damit leben und arbeiten“, sagt der erfahrene Krabbenfischer. Dazu gehört für Reim auch, sich schon früh morgens vor der Abfahrt den Horizont und den Himmel genau anzusehen: „Wetter ist nur für den überraschend, der sich davon überraschen lässt.“

Für den Seemann ist das ein ganz besonderer Punkt, denn sein Krabbenkutter ist nur zehn Meter lang und somit ein leichter Spielball für Wind, Wetter und Wellen. Das ungewöhnliche Format der „Steinbock“ hat ebenso einen Grund wie der Name. „Eigentlich wollte ich das Schiff ja „Mücke“ nennen, weil es so klein ist. Meine Frau hat auf „Steinbock“ gedrängt – ist unser gemeinsames Sternzeichen“, schmunzelt Reim.

Tatsächlich hat er sich seinen schwimmenden Arbeitsplatz selbst gebaut. Als die Werftenindustrie in Bremerhaven in den 1980er-Jahren sichtbar schrumpfte, hat der gelernte Schlosser seinen Plan gefasst: „Ich werde Krabbenfischer.“ Das Schiff dafür hat er sich kurzerhand auf dem Werftgelände am Fischereihafen zusammengeschweißt. „Durfte aber nur zwölf Tonnen wiegen. Wir mussten den Kahn ja noch mit dem mobilen Kran von Land ins Wasser heben“, schmunzelt Reim noch heute bei dem Gedanken.

Seitdem fährt er in der Saison jeden Morgen mit seinem schwimmenden Büro allein raus auf die Weser zur Fangfahrt. Homeoffice war für Hans-Joachim Reim schon Alltag, als in Deutschland noch nicht mal jemand das Wort kannte. Dabei ist der Krabbenfischer nicht nur ohne Kollegen oder Team auf seinem Kutter. Er hat sich auch das Krabbenfischen allein beigebracht: „Learning bei Fishing oder wie das heißt.“

Seitenausleger, Netze, Rüttelsiebe, Wasserschläuche und der silberne Kochkessel aus Edelstahl – an Bord der „Steinbock“ ist alles, was ein Krabbenkutter braucht. Der Kessel glänzt, die Tampen (Taue) sind fein säuberlich aufgewickelt – oder aufgeschosssen, wie der Seemann sagt. Die Netze hängen fertig zum Einsatz im aufgerichteten Fangeschirr links und rechts vom Kutter. „Beim Krabbenfang ist man immer in Bewegung. Die Krabben werden sofort nach dem Fangen gekocht. Sonst bleiben sie nicht frisch“, erklärt Reim und klopft mit dem Knöchel gegen den Metallkessel.

Krabbenfang – dabei geht es vor allem um die richtige Nase. Hans-Joachim Reim kennt sein Fanggebiet in der Außenweser. Er trifft seine Entscheidungen nach Erfahrung und Gefühl. „Da würde jemand anders an Bord nur stören. Ich bin froh, dass ich da draußen auf dem Meer allein bin und in Ruhe arbeiten kann.“ Tatsächlich sind die Nordseekrabben immer irgendwo anders. Sie wandern in der Weser mit den Gezeiten und schwimmen dabei dicht über dem Flussgrund. Die Steinbock fischt – wie andere Krabbenkutter auch - mit Schleppnetzen.
Dabei werden die Netze von den Seitenauslegern ins Wasser abgesenkt und über den Grund gezogen. Die Krabben schrecken hoch, schwimmen auf und landen im Netz. „Manchmal bleiben die kleinen Kerle aber auch in Ufernähe sitzen – wenn durch die Windverhältnisse genug Wasser da ist“, grinst Reim. „Dann lachen sie sich über mich und meinen Kutter kaputt und sagen: Guck mal, was der da draußen im Fluss mit seinen Netzen rumkratzt.“

Wenn aber der Fang stimmt und die Netze voll sind - dann kommt schon der wichtigste Punkt des Krabbenfischens. Im Kessel am Heck der „Steinbock“ werden die Krabben sofort nach dem Fang gekocht. „Meerwasser“, flüstert Hans-Joachim Reim geheimnisvoll und hebt den Deckel des Edelstahlkessels leicht an. „Nur so fünf Minütchen im sprudelnden Salzwasser. Dann sind die Krabben gar, lecker und haben ihre typische Farbe.“

Hans-Joachim Reim fängt nur für den Tagesverkauf und wirft nichts weg. Und im Winter macht er komplett Fangpause – damit die Krabbenbestände sich erholen können. In der kalten Jahreszeit werden die Netze geflickt und auch mal eingefrorene Krabben aus der Tiefkühltruhe geholt.  „Krabben isst man am besten mit Schwarzbrot, ein bisschen Butter, etwas Pfeffer – und vielleicht noch ein Hauch Mayonnaise“, schwärmt Reim von seinem Geheimrezept.

Lange hält der Krabbenfischer es aber trotz Gemütlichkeit und Krabbenbrot nicht Zuhause aus. Er freut sich jedes Mal schon auf das Frühjahr, wenn er wieder mit seinem schwimmenden Arbeitsplatz raus aufs Meer fahren kann. „Um mich herum das Wasser, der Himmel und die Seehunde. Die liegen auf der Sandbank, sehen mein Schiff und heben die Flosse zum Hallo sagen – ein schöneres Homeoffice gibt es wohl nicht.“

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