„Please, Autogramm“: Interview zum 55. Jahrestag der Elvis-Ankunft in Bremerhaven

Vor 55 Jahren, am 1. Oktober 1958, kam der „King of Rock’n’Roll“ - Elvis Presley mit einem Militärtransporter in Bremerhaven an. Elvis musste im hessischen Freidberg seinen Militärdienst ableisten. Sein Aufenthalt in der Seestadt beschränkte sich auf den direkten Weg vom Schiff zum Zug. Damals richteten sich alle Augen der Welt auf Bremerhaven – für einen Moment. Noch jemand rückte damals in das Licht der Wahrnehmung. Ein blond-gelockter junger Mann, der sich an der amerikanischen Militärpolizei (MP) vorbeischlich, um ein Autogramm von Elvis zu bekommen: Helge Rothenberg. Bremerhaven.de hat sich mit dem inzwischen 72-jährigen getroffen – am Ort des Geschehens, dem heutigen Columbus-Cruise-Center. Dort befindet sich an der Kajenmarke 700 eine Messingtafel, die auf die Elvis-Ankunft hinweist.


Frage: Wie war der 1. Oktober 1958? Wann sind sie aufgestanden – was haben sie als Erstes getan?

Helge Rothenberg:
Es war ein Mittwoch, ich bin ganz normal aufgestanden und zur Arbeit gegangen. Ich hatte gerade eine Ausbildung bei der Firma Ziegfeld in der Stadtmitte angefangen und wohnte in der „Bürger“ 173.


Frage: Wie war das Wetter und wie sind sie zum Columbusbahnhof gekommen?

Helge Rothenberg: Es war angenehmes Wetter – nicht sehr kalt, kein Regen. Ich bin mit dem Fahrrad gefahren. In meiner Firma musste öfter mal etwas ausgeliefert werden. Ich habe dort „geschwindelt“ und gesagt, ich müsste etwas zu einem Kunden bringen. Dann bin ich am Deich entlang und über die Kaiserschleuse zum Columbusbahnhof geradelt.


Frage: Wie sah es dort vor Ort aus? Wie lange mussten sie warten?

Helge Rothenberg: Auf der Südseite war alles von der amerikanischen Militärpolizei (MP) abgeriegelt. Da standen ein paar Hundert Elvis-Fans mit Plakaten und Schildern. Es gab da aber kein Durchkommen. Die "General Randall", das Schiff auf dem Elvis war, lag schon an der Kaje. Ich bin von der Nordseite, wo heute das Containerterminal liegt, über die Eisenbahnschienen auf das Gelände gekommen. Ich war damals wohl so schmächtig, dass mich da keiner so wirklich wahrgenommen hat. Ich bin dann ganz langsam und unauffällig Richtung Gangway geschlendert, wo Elvis an Land kommen sollte. Da stand eine Gruppe von Offiziellen und Gästen. Ich habe mich einfach dazugestellt und so getan, als wenn ich dahin gehöre (lacht).


Frage: Wie war es, als der „King“ dann endlich da war?

Helge Rothenberg: Es war sehr hektisch und wurde auch laut. Elvis ging als Erster von Bord und trug einen großen Seesack auf der Schulter. Die Mädchen weiter hinten in der Gruppe kreischten laut. Alles drängte in Richtung Gangway – ich auch. Ich hatte eine Postkarte mit Bild von Elvis und einen Kugelschreiber dabei und sprang beherzt auf ihn zu. Ich sagte „Please, Autogramm“, mein Englisch war damals nicht sehr gut. Er lächelte, nahm Bild und Stift, er musste sogar den Seesack dafür Umschultern. Dann fiel ihm leider der Stift runter und er schüttelte den Kopf. Als Nächstes weiß ich nur noch, dass mich ein riesiger MP-Mann weggetragen hat.


Frage: Dieser Moment ist auf einem weltberühmten Foto festgehalten. Hat dieses Bild ihr Leben verändert?

Helge Rothenberg: Ja, in regelmäßigen Abständen, so alle 10 Jahre, kommen immer irgendwelche Reporter und wollen mich interviewen (lacht). Nein, die Wahrheit ist, das ging damals natürlich durch die Presse rauf und runter und ich hatte einen Heidenbammel, dass ich deswegen gekündigt werde. Ich hatte mich schließlich unerlaubt von meiner Ausbildungsstelle weggeschlichen. Interessanterweise hat mein Chef mich niemals auf dieses Foto angesprochen, obwohl er es sicherlich gesehen haben musste.


Frage: Sind sie eigentlich Elvis-Fan geblieben? Bis heute?

Helge Rothenberg: Lustigerweise war ich damals noch gar kein Elvis Fan, das kam erst etwas später. Ich wollte da nur hin, weil es so ein großes Ereignis war – also aus reiner Neugierde. Aber ja – ich bin bis heute Elvis Fan. Seine Musik und seine Qualitäten als Entertainer sind nach wie vor unübertroffen.


Frage: Wie haben sie von Elvis Tod erfahren? Was haben sie gedacht?

Helge Rothenberg: Ich habe es aus dem Radio erfahren. Seltsamerweise war ich gar nicht so besonders berührt, fand es aber schade, weil er ein so toller Sänger war. Ich musste sofort an den Mittwochmorgen, an der Columbuskaje denken, als es mit dem Autogramm leider nicht geklappt hatte.


Frage: Denken sie eigentlich oft darüber nach, was gewesen wäre, wenn sie das Autogramm bekommen hätten?

Helge Rothenberg: Ja sicher, das wäre heute ja richtig wertvoll – damals schon. Aber vielleicht hätte ich das dann auch als Teenager für ein paar Mark an irgendjemanden verkauft und würde mich heute darüber ärgern, es nicht mehr zu besitzen (lacht).


Frage: Glauben sie, dass der große Hype um Elvis – auch 35 Jahre nach seinem Tod – noch immer gerechtfertigt ist?

Helge Rothenberg: Ja vielleicht schon, er war für seine Epoche ja sehr prägend. Ähnlich wie Michael Jackson in den 1980er und 90er Jahren. Nur, dass es zu Elvis Zeiten noch keine anderen Popstars gab.


Frage: Denken sie, dass Bremerhaven mehr daraus machen sollte, dass der Rock ‘n’ Roll hier den europäischen Kontinent betreten hat? Welchen Vorschlag hätten sie dafür?

Helge Rothenberg: Es könnte schon mehr daraus gemacht werden, als die kleine Plakette an der Columbuskaje, die man nicht mal besuchen kann. Vielleicht findet sich ja ein Platz in den Havenwelten, den man nach ihm benennen könnte. Schließlich ist alles, was ein positives Licht auf die Stadt wirft, gut für Bremerhaven. Marco Butzkus