Offener Brief der Umweltdezernentin

Dieser offene Brief wurde von Stadträtin Dr. Susanne Gatti an den Vorstand der BIKEG e. V. als Antwort auf deren offenen Brief gesendet

Sehr geehrter Vorstand der BIKEG,

Ihr Schreiben vom 27. Januar 2021 ist bei mir eingegangen. Es ist richtig, dass ich die für Dezember 2020 geplante konstituierende Sitzung des Deponiebeirats kurzfristig abgesagt habe. Grundlage meiner Entscheidung war das akute Infektionsgeschehen und der bundesweite Lockdown in der Covid-19 Pandemie. Die Verantwortung für die Durchführung der Sitzung liegt bei mir und ich halte die Absage nach wie vor uneingeschränkt für richtig.

Die neue Geschäftsordnung für den Deponiebeirat sieht Präsenzsitzungen vor. Weder die am Entwurf beteiligten Fraktionsspitzen noch die Vertreter der BEG oder ich haben beim Entwurf der Geschäftsordnung daran gedacht, die Frage zu klären, ob digitale Sitzungen möglich sein sollen. Zurzeit prüft das Rechtsamt, ob digitale Sitzungen von der neuen Geschäftsordnung abgedeckt sind. Mit der neuen Geschäftsordnung wurde der Forderungen der BIKEG auf öffentliche Sitzung Rechnung getragen.

Jenseits der rechtlichen Fragen möchte ich zu drei Überlegungen einladen:

Erstens haben sehr viele im Home-Office Arbeitende seit Beginn der Pandemie Online-Sitzungen ausführlich kennengelernt. Wir sehen, dass das geht, man kann so arbeiten. Und gleichzeitig ist mit der Verlagerung in den virtuellen Raum ein erheblicher Qualitätsverlust verbunden. In meiner Einschätzung des bekannten Qualitätsverlustes und meinem Ziel, einen echten Neustart für den Deponiebeirat zu fördern, setze ich zunächst darauf, Präsenzveranstaltungen durchzuführen. Sollte das bis in den September 2021 hinein nicht möglich sein, werde ich diese Entscheidung bereitwillig infrage stellen.

Zweitens frage ich, ob es allen Personen, die ein Interesse am Fortgang des Deponiebeirats haben, möglich sein wird, auch an digitalen Formaten teilzunehmen. Es mag so sein, dass inzwischen viele Menschen einen versierten Umgang mit virtuellen Konferenz-Tools haben. Dennoch wird es ganz bestimmt auch interessierte Menschen geben, die zwar sehr wohl an einer Präsenzveranstaltung teilnehmen möchten, sich aber bei einer digitalen Veranstaltung ausgeschlossen fühlen werden. So ein Ausschluss – und sei es nur ein „gefühlter“ – liefe einem einladenden offenen Format zuwider. Darüber hinaus wäre auch das Interesse der BIKEG an der Herstellung einer umfassenden Öffentlichkeit der Sitzungen durch virtuelle Sitzungen konterkariert.

Und drittens sind auch in der neuen Geschäftsordnung Ton- und Bildaufnahmen des Sitzungsverlaufs nicht gestattet. Es lässt sich bei digitalen Formaten nicht kontrollieren, ob diese Regel eingehalten wird. Ob es unter einzelnen Beteiligten aus diesem Grund Vorbehalte gegen digitale Formate gibt, kläre ich zusammen mit dem Umweltschutzamt und allen Beteiligten.

Sie führen jahrelange Verzögerung bei der Klärung Ihrer Fragen an. Dazu möchte ich ausführlich antworten!

Die Aufgabe des Deponiebeirats liegt weder in der rechtsverbindlichen Klärung von Sachfragen noch in der abschließenden Bewertung von divergierenden Ergebnissen aus vorliegenden Gutachten. Vielmehr ist der Deponiebeirat ein Austausch- und Informationsgremium. Daher trägt die Verschiebung der konstituierenden Sitzung in keiner Weise zur Änderung in der Sicherheit der Deponie bei. Ich entnehme Ihrem Schreiben, dass Sie alarmiert sind, weil Sie Rechtsverstöße vermuten. Der Deponiebeirat kann aber auf der Grundlage seiner Geschäftsordnung die von Ihnen benannten Punkte weder klären noch verändern.

Sie sprechen mich konkret mit den folgenden drei Punkten an:

1. Die Ihrer Einschätzung nach falsche Klassifizierung des Altdeponiekörpers durch die Planfeststellungsbehörde in Bremen
2. Das Fehlen einer Ihrer Ansicht nach notwendigen „sicheren Wanne“
3. Der Ringgraben, den Sie als gesetzeswidrig bezeichnen.

Alle drei Punkte sind Bestandteile des Planfeststellungsverfahrens. Dieses Verfahren lag nicht in der Hand des Bremerhavener Umweltschutzamtes. Vielmehr liegt die Zuständigkeit dafür – wie Sie ganz richtig schreiben – bei der Planfeststellungsbehörde in Bremen. Sie fordern mich also auf, etwas zu tun, für das ich keine rechtliche Regelungskompetenz habe.

Rote fett gedruckte Schrift kann zudem leicht wie „angebrüllt werden“ wahrgenommen werden. Im Sinne der von Ihnen angestrebten Klärung halte ich andere Kommunikationsformen für zielführender und sinnvoller. Es ist für den jeweiligen Klärungsprozess stets sehr förderlich, wenn sich die Kommunikationspartner offen und wertschätzend begegnen. Befinden Sie sich mit Ihrem offenen Brief wirklich auf diesem Kommunikationspfad?

Da der Deponiebeirat mit der neuen Geschäftsordnung neu aufgestellt werden soll, habe ich eine Kommunikationsspezialistin für den Vorsitz gewonnen. Umfassende Erfahrungen mit einem Spezialisten für Deponie- und Umweltrecht in den vergangenen Jahren des Deponiebeirats haben ganz offensichtlich kein zufriedenstellendes Ergebnis hervorgebracht – für keinen der beteiligten Akteure. Daher möchte ich jetzt einen anderen Weg beschreiten.

Sie schreiben, dass das Misstrauen nur abzubauen sei, wenn geltende Umweltgesetze nachweislich auch in Bremerhaven eingehalten würden. Das Umweltschutzamt trägt mit der Abfallbehörde, der Bodenschutzbehörde und der Wasserbehörde umfassend dazu bei, alle in Bremerhavener Zuständigkeit liegenden Kontrollen durchzuführen und ggf. ordnungsbehördliche Schritte einzuleiten. Zusätzlich steht das Umweltschutzamt im engen Kontakt mit allen weiteren Überwachungsbehörden für die Deponie. Alle Fragen zum Planfeststellungsbeschluss müssen mit der Planfeststellungsbehörde in Bremen geklärt werden.

Selbstverständlich können die Mitglieder des Deponiebeirats zwischen den Sitzungen in einen Austausch treten und untereinander digital kommunizieren. Da Ihnen die Protokolle der vergangenen Sitzungen inklusive aller Teilnehmer:innen-Listen vorliegen, ist es Ihnen sicher leicht möglich, daraus einen E-Mail-Verteiler zu erstellen. Insofern hängen Sie nicht vom Umweltschutzamt oder der Zustimmung der Teilnehmer:innen zu einem E-Mail-Verteiler ab.

Zuletzt möchte ich mit drei Angeboten schließen:

1. Könnte es ein lohnendes Thema für den Deponiebeirat sein, die vielfältigen Zuständigkeiten im Zusammenhang mit dem Betrieb der Deponie umfassend zusammenzustellen und für alle Beteiligten sowie für die Öffentlichkeit zur Verfügung zu stellen?
2. Ganz offensichtlich herrscht auch einige Unklarheit darüber, für welche Teile des Deponiebetriebs und des Deponiekörpers welche Vorschriften gelten. Auch für diese Fragen schlage ich vor, im Deponiebeirat eine kurze aussagekräftige Zusammenstellung zu erarbeiten.
3. Für den Fall, dass es für Sie schwierig ist, mit den zuständigen Behörden in Bremen in Kontakt und in einen direkten Austausch zu kommen, biete ich meine Unterstützung an.

Ich hoffe, sehr bald zur konstituierenden Sitzung des Deponie-Beirats nach neuer Geschäftsordnung einladen zu können, da ich einen konstruktiven vertrauensfördernden Austausch für sehr wichtig halte!

Mit freundlichen Grüßen

gez.
Dr. Susanne Gatti
Umweltdezernentin

P. S. Da ich den Verteiler für Ihren offenen Brief nicht kenne, wäre ich sehr dankbar, wenn Sie mein Antwortschreiben an denselben Verteiler weitergeben könnten.

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