Heimerziehung wird aufgearbeitet: Opfer von einst sollen sich melden

Geschlagen, gedemütigt, weggesperrt, missbraucht: Zahlreiche Kinder und Jugendliche durchlitten in den Erziehungsheimen der 50er und 60er Jahre unvorstellbare Gewalt. Erst seit einiger Zeit werden die zum Teil skandalösen Zustände in der Heimerziehung aufgearbeitet. Für die Opfer von einst gibt es jetzt eine Hotline des Bremer Senats, die auch für Bremerhaven zuständig ist.

„Über dieses düstere Kapitel der Nachkriegszeit wird endlich offen diskutiert", betont Sozialstadtrat Melf Grantz. Ein Arbeitskreis mit Vertretern verschiedener Ämter und freier Träger der Jugendhilfe richtete zur Aufarbeitung im Lande Bremen die Telefonnummer für Zeitzeugen ein. Unter Tel. 0421/36114448 oder  hotline-heimkinder@afsd.bremen.de können sich ehemalige Heimkinder melden und über ihre leidvollen Erfahrungen berichten.


Gleichzeitig machten sich mit finanzieller Unterstützung der Bremischen Kinder- und Jugendstiftung zwei Wissenschaftler daran, die Heimerziehung im Land Bremen historisch aufzuarbeiten und zu dokumentieren. Neben der Auswertung noch vorhandener Akten soll mit Interviews die Alltagspraxis der Heimunterbringung dargestellt werden. Zu diesem Zweck werden weitere Gesprächspartner gesucht. Ehemalige Heimkinder und frühere Mitarbeiter von Einrichtungen im Land Bremen können sich bei der Hotline oder per Mail melden.


In einer ersten gemeinsamen Sitzung der Arbeitsgruppe und Betroffener im Bremer Rathaus kamen bewegende Schicksale zur Sprache. Stadtrat Grantz: „Der Mut der Teilnehmerinnen und Teilnehmer, ihr Leid in einem doch recht großen Kreis zu offenbaren, verlangt Respekt." Die Tatsache, dass Land und Stadt weiterhin keine materielle Entschädigung in Aussicht stellen könnten, sei schwer zu vermitteln. Dennoch habe „der Eindruck geherrscht, dass die Veranstaltung richtig und wichtig gewesen" sei.


Die Resonanz ehemaliger Heimkinder aus Bremerhaven, so Grantz, war bisher sehr gering. Das Amt für Jugend, Familie und Frauen bittet daher dringend alle Betroffenen, sich mit der Hotline in Verbindung zu setzen. Bremerhavener Mitarbeiter des Arbeitskreises werden dann mit ihnen Kontakt aufnehmen.

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