Ansprache von Oberbürgermeister Melf Grantz anlässlich der Kranzniederlegung am "Mahnmal zum Gedenken an alle Opfer des Nationalsozialismus"- 70 Jahre Kriegsende am 8. Mai 2015

Es gilt das gesprochene Wort!

Sehr geehrte Damen und Herren,

Der 8. Mai 1945 ist der Tag der Befreiung von Krieg und Nationalsozialismus. Deshalb ist er ein Freudentag. Er ist ein Freudentag, weil alle die Menschen, die unter der nationalsozialistischen Diktatur zu leiden hatten, endlich wieder frei atmen konnten und endlich wieder das sagen konnten, was sie dachten.

Der 8. Mai ist als Tag der Befreiung auch ein Freudentag, weil mit diesem Tag der Krieg in Europa, in Deutschland und unserer Stadt zu Ende war. Selbst Mitläufer und passive Parteigänger des Nationalsozialismus empfanden es als befreiend, den Alltag ohne Bombenangriffe und ohne andere militärische Operationen leben zu können.

Der 8. Mai ist als Tag der Befreiung ein Freudentag, weil ab diesem Tag Menschen mit psychischen, geistigen und körperlichen Behinderungen nicht mehr fürchten mussten, in eine der Anstalten deportiert zu werden, wo ihnen nicht geholfen wurde, sondern wo sie oft unter Qualen getötet wurden. Dies sage ich hier ganz bewusst, weil vor der Großen Kirche gerade die „Tage der Begegnung zur Teilhabe behinderter Menschen“ mit einer Kundgebung abgeschlossen wurden. Dieser Tag der Befreiung vor 70 Jahren ist uns auch Verpflichtung zur Inklusion. Dieser Tag ist für uns heute Mahnung, Menschen mit Behinderung wirklich in unserer Gesellschaft aufzunehmen und sie nicht in speziellen Einrichtungen auszugrenzen.

Doch so sehr dieser 8. Mai 1945 als Tag der Befreiung ein Freudentag ist, so wenig kann übersehen werden, dass er auch ein Tag der Trauer ist. Er ist ein Tag der Trauer über die Toten, die der vom nationalsozialistischen Deutschland angezettelte Krieg über Europa, über unser Land und über unsere Stadt gebracht hat. Deshalb ist der 8. Mai für uns der Tag der Befreiung und zugleich ein Tag der Trauer.

Auf diesem Mahnmal zum Gedenken an alle Opfer des Nationalsozialismus, das der Bremer Künstler Waldemar Otto geschaffen hat, steht, auf der Grundlage der Rede des ehemaligen Bundespräsidenten Richard von Weizsäcker am 8. Mai 1985 im Deutschen Bundestag, folgender Text:

„Wir gedenken in Trauer aller Toten des 2. Weltkriegs und aller Opfer der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft. – Wir gedenken aller Menschen, die wegen ihrer religiösen oder politischen Überzeugung, wegen ihres Andersseins verfolgt und ermordet wurden. Wir gedenken derer, die eher den Tod hinnahmen, als ihr Gewissen zu beugen. Wir gedenken aller Völker, die im Krieg gelitten haben. Wir dürfen nicht vergessen. – Die Toten mahnen uns. Mühen wir uns um Frieden und Menschlichkeit.“

Wir werden diesem Gedenken nicht gerecht, wenn wir damit sozusagen unsere Geschichte zu den Akten legen und sie nur an einem Gedenktag wie heute für kurze Zeit aufschlagen.

Wir werden diesem Gedenken an den 8. Mai 1945 als Tag der Befreiung und als Tag der Trauer nur gerecht, wenn wir an die Menschen denken, die heute vor Terror, Not, Krieg und Verfolgung fliehen und heute bei uns Schutz suchen. Deshalb werden wir dem Gedenken an den Tag den 8. Mai vor 70 Jahren nur gerecht, indem wir den Menschen, die in diesen Tagen als Flüchtlinge zu uns gekommen sind. Ihnen zu helfen, sie willkommen zu heißen und sie zu integrieren, ihnen ein gewaltfreies und angstfreies Leben zu ermöglichen, ist die Verpflichtung, die uns aus dem Gedenken an das Ende von Krieg und Gewaltherrschaft in Deutschland erwächst.

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