Industriegigant Wilhelm Anton Riedemann

Wilhelm Anton Riedemann wird am 8. Dezember 1832 in Meppen nahe der niederländischen Grenze geboren. Er lässt sich 1863 in Geestemünde nieder, das damals noch nicht zu Bremerhaven gehört. Mit kaufmännischem Gespür und unternehmerischem Mut wandelt er den Geestemünder Hafen zum führenden deutschen Umschlagplatz für Petroleum. Mit der Entwicklung des ersten Dampftankschiffes ist er sozusagen der Erfinder des Supertankers. Zusammen mit dem amerikanischen Öl-Magnaten John D. Rockefeller gründet er die Deutsch-Amerikanische Petroleum-Gesellschaft (DAPG), aus der 1950 die ESSO wird. Riedemann war ein echter Industriegigant, der die Grundlage seines wirtschaftlichen Aufstieg hier in Geestemünde legte.

Riedemann wächst als ältester Sohn eines angesehenen Kaufmanns aus Meppen auf. Zunächst in großem Wohlstand - das ändert sich jedoch, als die Familie in die USA auswandert und der Vater verstirbt. Die Riedemanns kehren nach Deutschland zurück und Wilhelm macht eine Ausbildung zum Papier- und Farbenvertreter. Er macht sich selbstständig und zieht nach Geestemünde, das zu diesem Zeitpunkt gerade einen neuen Handelshafen fertiggestellt hat. Riedemann knüpft Kontakte zu einem Überseekaufmann aus Bremern, der sich auf den Handel mit Erdöl spezialisiert hat. Der findige Riedemann wittert das Potenzial, das in diesem Rohstoff liegt und macht einen steilen wirtschaftlichen Aufstieg.

Durch das Bestreben des Kaufmanns wird Geestemünde in den 1870er und 1880er Jahren zum führenden deutschen Umschlagsplatz für Petroleum. Einen echten Meilenstein setzt Riedemann jedoch mit dem Einsatz von Tankschiffen. Petroleum wird bis dato in Fässern transportiert. Das ist zum einen recht aufwändig, zum anderen werden dadurch aber auch die Kapazitäten der Frachtschiffe nicht ausgenutzt, da es bis zu 30 Prozent Stauverluste gibt. Riedemann experimentiert zunächst damit, stählerne Tanks in Segelschiffe einzubauen. Schlussendlich lässt er jedoch den ersten Dampfschifftanker der Welt entwickeln und bauen – in England.

In Deutschland findet der Visionär keine Werft, auf der man dazu bereit ist, ihm ein solches Schiff zu bauen. Man hält es für eine wahnwitzige Idee, ein mit Feuer betriebenes Dampfschiff als Transporter für ein leicht brennbares Gut einzusetzen. Im Bremerhavener Volksmund bekommt die „Glückauf“, wie das Schiff heißt, umgehend den spöttischen Beinamen „Fliegauf“, weil man fest damit rechnet, dass es jeden Moment in die Luft fliegt. Entgegen aller Unkenrufe läuft das Schiff am 13. Juli 1886 von Hamburg aus nach Amerika aus. Es gab während der gesamten Dienstzeit des Schiffes niemals einen Unfall oder gar eine Explosion an Bord des 97 Meter langen Schiffes, dass rund 3000 Tonnen Öl laden konnte. Riedemann revolutionierte mit seiner Hartnäckigkeit und der „Glückauf“ den Transport sowie den Umschlag von flüssigem Gefahrgut. Er schuf damit die Grundlage für moderne Tankschiffe und sogenannte Supertanker.

Zu einem Industriegiganten wurde Wilhelm Anton Riedemann, als er 1890 zusammen mit dem amerikanischen Erdölmagnaten John D. Rockefeller und dem Bremer Kaufmann Franz Schütte die Deutsch-Amerikanische Petroleum-Gesellschaft (DAPG) gründete, die heute ESSO heißt, und zu deren Vorsitzendem wurde. Damit ging allerdings auch Geestemündes glorreiche Zeit als Petroleum-Hochburg zu Ende. Riedemann orientierte sich in Richtung Hamburg und verlegte 1891 auch seinen Wohnsitz dorthin. Die DAPG wird unter seiner Führung zum dominierenden Unternehmen im deutschen Petroleumumschlag und beherrscht dieses Marktsegment mit teilweise 70 Prozent Marktanteil völlig.

Riedemann selber zieht es zum Ende des Ersten Weltkrieges nach Lugano in der Schweiz, wo er 1920 mit fast 88 Jahren verstirbt. In Bremerhaven gibt es noch einige Zeugnisse seines Wirkens. So brachte der bekennende Katholik sich in Bremerhaven finanziell und ideell in den Ausbau des Schulwesens und der stationären Krankenpflege ein. Aus letzterem Engagement entstand später das Bremerhavener St. Joseph-Hospital. In der Borriesstraße ließ Riedemann sich 1884 ein imposantes Stadtpalais bauen. Das Gebäude selber wurde im 2. Weltkrieg leider zerstört, die gewaltigen Ausmaße des Wohnhauses kann man jedoch heute noch abschätzen. Das Gebäude an der Borriesstraße 46 wurde exakt auf den Grundrissen des „Riedemann-Palais“ gebaut und entspricht auch in der Höhe in etwa dem ursprünglichen Bau. Im westlichen Geestemünde, in der Zuwegung zum Fischereihafen, findet man die Riedemannstraße, an der früher die Seebeck-Werft lag. Marco Butzkus

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