Die Amerikaner in Bremerhaven: Teil 7 - Die Clubszene (the clubs)

Als Bremerhaven noch „Vorort von New York“ genannt wird, ist die Club & Kneipenszene dieser Stadt legendär. Von den späten 1940er Jahren bis in die frühen 90er blüht die Amüsier- und Vergnügungskultur der Stadt wie ein prächtiger Garten. Namen wie „Chico’s Place“, „Rote Mühle“, „Kraftwerk“ und „Bahamas“ bringt man - auch heute noch - mit den Amerikanern in Verbindung. Eine Zeit lang gibt es in Bremerhaven, gemessen an der Einwohnerdichte, genauso viele Kneipen wie in West-Berlin. Der erste amerikanische Club dieser Stadt, der „Club Tug Boat Inn“, wird 1946 im Hotel Metropol, in der Potsdamer Straße, eröffnet und bleibt zwei Jahre lang: Das Metropol gibt es heute noch. Irmgart Frommer, die ehemalige Inhaberin der Kultgaststätte, erzählt uns ein wenig über die „Goldene Zeiten“ in Bremerhaven.

Das kleine Hotel am Rande des Bremerhavener Rotlichtbezirks hat mehr als hundert Jahre auf dem Buckel und versprüht einen ganz besonderen Charme. Ein Schritt in das Innere der kultigen Gaststätte hat ein wenig von einer Zeitreise. Der Schankraum wurde liebevoll in die 1950er Jahre zurück versetzt. Viel dunkles Holz, kunstvolle Lampen und artgerechtes Mobiliar prägen das Bild. Ein altes Schiffsmodell thront auf der kunstvoll verzierten Anrichte hinter dem Tresen. An einer Wand lockt eine alte Musikbox mit dem Konterfei von Freddy Quinn. „Da muss man D-Mark Stücke reinwerfen, die kann man am Tresen tauschen“, sagt eine freundlich lächelnde Frau mit weißen Haaren zu mir, während sie auf mich zukommt.

Irmtraut Frommer ist Anfang 80 und lebt seit 1956 in Bremerhaven. Ihr Schwiegervater Rudolf Frommer hat das Haus, in dem wir sitzen, 1907 gebaut. Er führt es als Hotel und Schankstube, bevor er es an seinen Sohn Hans übergibt - Irmtrauts Ehemann. Heute ist ihre Tochter Ute Wirtin des Metropol, das 2005 restauriert wurde. Wir sitzen an einem großen Tisch direkt in einer lichtdurchfluteten Fensterecke der historischen Gaststube. Ein großer geschmiedeter Aschenbecher mit einer Gravurplakette weist mich dezent darauf hin, dass es sich wohl um den Stammtisch handelt. Überall an den Wänden hängen Bilderrahmen voller Erinnerungen an ein ganzes Jahrhundert voller Geschichten, die in diesen vier Wänden spielten.

Ein maßgeblicher Teil davon hat mit Amerikanern zu tun, die den Laden 1946 beschlagnahmen. Irmtrauts Mann, der die Gaststätte gerade Mal 2 Tage wiedereröffnet hat, als die Militärverwaltung ihren Anspruch durchsetzt, arbeitet als Kellner im Laden seines Vaters. Dieser sorgt als Heizer in dem Gebäude für die richtigen Temperaturen.

Die US-Soldaten brauchen dringend Zerstreuung in der fremden Stadt und so bedient man sich kurzerhand an dem, was zur Verfügung steht. Die Frommers haben Glück, dadurch, dass sie im Hause arbeiteten, dürfen beide auch dort wohnen bleiben. Diesen Komfort hat nicht jeder. Viele Privathäuser werden von Offizieren beschlagnahmt. Zwar erhält der Eigentümer eine Miete dafür, dennoch muss er erst einmal aus seinen eigenen Wänden ausziehen und Wohnraum ist direkt nach dem Krieg noch knapp.

Das „Hotel Metropol“ heißt nun „Club Tug Boat Inn“ (Sinngemäß: Schlepperhafen) - Eine wilde und unvergessene Zeit für das kleine Lokal bricht herein. GI's betreten den Laden wie ihre eigene Wohnung. Es gibt Whiskey, man spricht Englisch und feiert jedes Fest ausgelassen. Die Frommers haben viele Vorteile durch die direkte Nähe zu den Amerikanern. Lebensmittel und Genusswaren sind für die Besatzer kein Luxus, sondern Alltagsgüter. Menschen, die für die Amerikaner arbeiten, profitieren davon. Nach zwei Jahren übergibt die Army das Lokal wieder an die Familie Frommer und es heißt fortan wieder „Hotel Metropol“. Die amerikanischen Soldaten kommen natürlich weiterhin in das Lokal, das für sie noch immer so etwas wie ihr Wohnzimmer ist – Jetzt jedoch als gut zahlende Gäste und nicht mehr als Hausherren. Sie kennen Hans Frommer und vertrauen ihm - Die wilde Zeit geht weiter.

Die Bremerhavener Club-Kultur blüht auf. Der Bereich rund um die Lessingstraße beherbergt Lokale mit so verheißungsvollen Namen wie: „Rio Rita“, „Elfie Bar“, „Barbarina Bar“ oder „Oceana Bar“. Alles normale Bars - ohne Prostitution, die hält erst Ende der 50er Jahre ihren Einzug. Die Gaststättenbesitzer sind allesamt vom Fach, haben ihre Berufe gelernt. Namen wie Hans Berg, Hans Hoheisel und Karl-Heinz Müller verbindet man dieser Tage mit gepflegter Gastronomie in Bremerhaven. Man weiß, wie man seine Gäste richtig zu behandeln hat, und trägt dafür Sorge, dass sie auch heil nach Hause kommen. Wenn der Gast zu viel getrunken hat, bestellte ihm der Wirt ein Taxi und übernimmt auch schon mal die anfallenden Fahrtkosten, wenn der Gast zuvor ordentlich verzehrt hat.

Das Besondere an dieser Zeit ist das Verhältnis zwischen Gast und Wirt. Ehrlichkeit und Respekt gehören zu den Grundlagen im Umgang miteinander. Wenn ein Amerikaner eine Bar betritt, läuft das in etwas so ab: Er setzt sich an den Tresen, bestellt einen Drink und legt seine Dollars offen vor sich auf die Bar. Der Wirt stellt den gewünschten Drink hin, nimmt das Geld an sich, zieht ab und legt das Wechselgeld zurück an den Platz, wo er es weggenommen hat. Wenn das Geld liegen bleibt, schenkt der Wirt nach und der Vorgang wiederholt sich so lange, bis das Geld aufgebraucht ist oder der Gast es wieder einsteckt. Betrug oder Diebstahl ist undenkbar.

Als in der Carl-Schurz-Kaserne in Weddewarden die ersten eigenen Gaststätten öffnen, bleiben die Soldaten den Bars immer öfter fern. Dafür erscheinen nun die amerikanischen Seeleute von den US-Transportschiffen. Einmal in der Woche erreicht ein Schiff voller Soldaten und Waren Bremerhaven. Die Schiffe bleiben im Schnitt 2 bis 3 Tage. In dieser Zeit brennt die Luft in der Stadt. Wenn ein Schiff hier ist, wird in den Clubs rund um die Uhr gearbeitet - in bis zu drei Schichten. Wer einen Job in den Bars haben will, muss gut Englisch sprechen können. Der Verdienst ist sehr gut. 400 bis 600 D-Mark bekommen die Angestellten im Monat. Dazu gibt es von den großzügigen Gästen häufig noch mal so viel und mehr an Trinkgeld. Außerdem verdienen die Bedienungen an den Getränken mit. In den 50er und 60er Jahren sind das schon fast astronomische Gehälter – Der Durchschnittsverdienst im Deutschland liegt bei ca. 400 D-Mark.

Ausnahmslos alle profitieren von den Amerikanern. Die Gaststätten, die Bars, die Geschäfte, die Restaurants und die Taxiunternehmen. Zu jener Zeit machte das erste chinesische Restaurant an der Rickmersstraße auf, dass „Hong Kong“. Die Schiffbesatzungen gehen je nach Dienstgrad ihn unterschiedliche Lokale. Die Gonscha-Bar in der Fährstraße und die Indra-Bar in der Lloyd Straße sind den Kapitänen und den hohen Offizieren vorbehalten – Entsprechend hoch sind dort auch die Preise. Das Chico’s Place an der Rickmersstraße ist die erste Adresse für Jazz und Soulmusik und wird besonders viel von Freunden dieser Musik besucht. Das „Chico’s“ hat zweifelsohne den meisten Soul der Stadt. Auf der gleichen Straße weiter in Richtung Roter Sand gibt es noch das „Ali Baba“ – Als letzte Station vor dem Schiff. Der Dollar liegt bei über 4 D-Mark und ein Bier bekommt man für 80 Pfennige – die Gastronomie „boomt“.

Einige Bremerhavener gelangen in dieser Zeit zu besonderem Ruhm. Die Bekannteste von ihnen ist wohl „Big Anita“. Die gesellige Ulknudel mit der mächtigen Oberweite erfreut sich, bedingt durch ihre offene und herzliche Art, äußerster Beliebtheit bei den Seeleuten und den Wirten der Szene. Wo Anita auftaucht, kocht die Stimmung. Häufig lässt sie sich auf die Wette ein, auf ihrem Dekolleté Cognacgläser zu balancieren und diese dann freihändig auszutrinken, ohne dabei etwas zu verschütten - Laut Überlieferungen verliert sie nie!

Im Metropol herrscht ein sehr familiäres Verhältnis zwischen den Seeleuten und der Belegschaft. Oft ist hier erster oder letzter Sammelpunkt der Landgänger. Irmtraut wird nur „Mrs. Hans“ gerufen und kümmert sich um die Belange der Matrosen. Die Wirtin erinnert sich an ein besonderes Ereignis: Als 1962 die große Sturmflut Hamburg und Bremerhaven heimsuchte, liegt einer der US-Truppentransporter gerade an der Columbus-Kaje. Das Schiff drohte bei Hochwasser auf die Kaje gespült zu werden und wird zur Sicherheit auf Reede gefahren. Die Matrosen haben Angst, dass sie nicht mehr an Bord kommen und sitzen bange im Metropol vor dem Radio. „Wir haben dann kostenlos Kaffee und Brote für die Männer gemacht. Wir haben hier zusammen in der Gaststube gesessen und gehofft, dass die Deiche hielten“, erinnert Irmtraut sich noch genau. „Ist aber alles gut gegangen“, schließt sie ab.

Eine ganz besondere Rolle im Umgang mit ausufernden Feiern hatte übrigens die MP (Military Police). Ihr rigoroses Eingreifen im Ernstfall hatte schon fast legendären Charakter. Die MP handelte nach der Devise: Generelle Befriedung vor individueller Zuwendung. Das bedeutete, dass alle Personen im Umfeld einer Unruhe erst einmal als Unruhestifter betrachtet wurden. So konnten auch schon Mal potenziell Unbeteiligte Bekanntschaft mit dem „Nightstick“ – dem Schlagstock der MP – machen, bevor ihre Personalien überprüft wurden.

Das kompromisslose Vorgehen der MP bescherte ihr aber auch einen unvergleichlichen Respekt. Es kam schon Mal vor, dass sich ein Dutzend Jugendlicher auf der Flucht vor der MP gleichzeitig durch das kleine Toilettenfenster vom „Seebeck am Markt“ zwängen wollten. Anderen Berichten zur Folge sollen sich „Streithähne“ bei Eintreffen der MP auch schon Mal freiwillig mit verschränkten Armen hinter dem Kopf und Gesicht nach unten auf den Boden gelegt haben, um eine Eskalation zu vermeiden. Eine besondere Berühmtheit erlangten in diesem Zusammenhang die Schlägereien vor der damaligen Diskothek Kraftwerk. Die Military Police übernahm dann die „Befriedung“ der Hitzköpfe und übergab anschließend alle handzahmen „Nicht-Amerikaner“ an die deutschen Kollegen, zur weiteren Verwahrung.

Über die fast 50 Jahre, in denen die Amerikaner ein Teil Bremerhavens waren, gab es eine unglaubliche Anzahl verschiedener Clubs, Lokale und Diskotheken, in denen sie ein und ausgingen. Sicherlich gibt es zu jedem einzelnen dieser Clubs viele schöne Geschichten. Wir kennen diese Geschichten natürlich nicht und können somit auch nicht darüber berichten. Stattdessen werden wir hier eine Liste aller uns bekannter Lokalitäten anhängen, die mehr oder minder stark von Amerikanern frequentiert wurden (natürlich ohne Gewähr auf Vollständigkeit). Wenn Sie besondere Erinnerungen an oder Geschichten über einen dieser Läden haben, dürfen Sie uns gerne über die Kommentarfunktion dieser Seite etwas dazu schreiben, wir freuen uns darauf. Marco Butzkus

 

Alt Leher Schänke / Hole in the Wall Spadener Straße 2
Die kleine Laterne / Mike's Laterne Spadener Straße 22
Pipeline / Superfly Im Leher Bahnhof
Cafè American im Leher Bahnhof
Seebeck am Markt Hafenstraße Ecke Am Leher Altmarkt
Music Monster Wülbernstraße Ecke Diosysiusstraße
Blink Turm Wülbernstraße
Kraftwerk / Deutscher Garten Hafenstraße
Infinity Hafenstraße
Rudelsburg Pestalozzistraße
Anno 1800 / Gee Bee's / Weserkeller Am Freigebiet
Indra-Bar / Boccacio Lloydstraße
Christopher of Bremen / Mayflower / Enterprise Grazerstraße
Disco-Club / Moustache Sonnenstraße
Club 99 Sonnenstraße
Gonscha-Bar Fährstraße
Atlantic-Bar Fährstraße
Stelldichein Claussentraße
Bahamas Deichhämme
Jever Fass Alte Bürger
Wally Alte Bürger
Scotch / Mad House Alte Bürger
Pussy Cat / Ente Sommerstraße
Ali Baba Rickmersstraße Höhe Möwenstraße
Chico's Place Rickmersstraße Ecke Körnerstraße
Oase Körnerstraße
Oceana Bar Rickmersstraße Ecke Fritz-Reuter-Straße
Rote Mühle Fritz-Reuter-Straße
Elfie Bar Jahnstraße
Odeon Bar Lessingstraße
Barbarina Bar Lessingstraße Ecke Weichselstraße
Rio Rita Lessingstraße, heute Lido
Club Tug Boat Inn / Hotel Metropol Potsdamer Straße Ecke Fritz-Reuter-Straße
Texas Club Borries Straße
Zum Nordpol Sievern
Sailor's
Down Town  
Beckmann Poststraße / Ecke Am Klushof
Bill Moffett's Playboy Club Lange Straße 112