Betroffenheit auf Bremerhavener „Election Party“: Trump neuer US Präsident

Der Raum ist mit blau-weiß-roten Luftschlangen geschmückt. An den Wänden hängen Sternenbanner in verschiedenen Größen. Auf einem Tisch ein Schokoladenkuchen mit dem erwartungsfrohen Schriftzug „Bye, Bye Barack, Congrats Hillary“. Pustekuchen. Nix ist. Donald Trump wird der 45. Präsident der Vereinigten Staaten. Den Amerikanern, die sich in aller Frühe im Havenhostel eingefunden hatten, um gemeinsam eine Wahlparty zu feiern, ist nicht mehr nach Feiern. Das Ergebnis muss erstmal verdaut werden. Der Kuchen bleibt unangetastet. Der neue US-Präsident hat allen den Appetit verschlagen.

Die ersten Bilder aus Amerika waren schon etwas schockierend. Als gegen 4 Uhr die ersten Ergebnisse auf dem Newsticker des Fernsehgerätes erscheinen, hat der Republikaner Donald Trump 141 Stimmen auf sich vereinigt. Hillary Clinton, seine demokratische Gegenkandidatin, erst 104. „Das wird schon noch. Hillary wird’s machen“, ist John Reinhardt sich sicher. Der US-Amerikaner hat die Bremerhavener „Election Party“ im Havenhostel gemeinsam mit dessen Betreiber organisiert. So gegen 6 Uhr, prognostiziert John, wird es ein einigermaßen verlässliches Ergebnis geben. Ein gutes Dutzend Leute – zum Großteil Amerikaner - haben sich zur Party eingefunden, um dem „Kampf ums Weisse Haus“ beizuwohnen. Es gibt Hot Dogs, Hot Coffee und Hot News.

Dass es so spannend ist liegt daran, dass das Wahlsystem in den USA etwas undurchsichtig ist. Die Bürger dort wählen den Präsidenten nicht direkt. Sie wählen eine Art Stellvertreter im jeweiligen Bundesstaat, sogenannte Wahlmänner. 538 Wahlmänner gibt es. Diese sind je nach Bevölkerungsdichte auf die 51 Bundesstaaten aufgeteilt. Kalifornien hat mit 55 die meisten. Kleinere oder bevölkerungsärmere Staaten wie Rhode Island oder Alaska haben nur drei Stimmen. Der Kandidat, der in einem Staat die Mehrheit holt – völlig egal wie knapp – bekommt alle Stimmen dort. Es kommt am Ende also nicht auf das addierte prozentuale Endergebnis an, sondern darauf, wer in den „wichtigen“ Staaten gewinnt. Wer 270 Stimmen auf sich vereinigen kann, ist Präsident – oder eben Präsidentin. „The Winner takes it all“, erklärt John.

Bis 5 Uhr baut Donald Trump, der bei der Party keinen einzigen Anhänger hat, seine Führung noch aus, dann macht Clinton plötzlich einen Satz nach vorne. Es steht 190 zu 173 Stimmen für die Demokratin. Bei den Besuchern der Party klingt kurzer Jubel auf. Sehr Kurzer. Zwei Minuten später holt Trump auf. Überholt Hillary wieder. 202 zu 190 für Trump, dann sogar auf 217 zu 190. Der Kampf ums Weiße Haus wird plötzlich viel spannender, als die meisten Besucher hier vermutet hätten. Die bevölkerungsreichen Bundesstaaten, die man größtenteils Hillary Clinton zuordnet, brauchen länger, bis sie ausgezählt sind. Man vermutet, dass die Frau des 42. Präsidenten das Feld von hinten aufräumen wird. Es gibt US-Bundesstaaten, die man traditionell den Lagern der Kandidaten zuordnet. Texas ist so einer. Der ist schon immer fest in Republikaner Hand. Kalifornien hingegen geht sicherlich an die Demokraten. Besonders wichtig sind allerdings die sogenannten "Swing-Staates", die als unentschlossen gelten. Die wichtigsten sind: Ohio, Pennsylvania und Florida. Als zwei davon - Ohio und Florida (18 und 29 Stimmen) - plötzlich an Trump fallen, ist die Sensation perfekt und bei US-Demokraten setzt das große Zittern ein.

Gegen 6 Uhr – laut Johns Prognose, die Zeit, zu der ein brauchbares Ergebnis vorliegt und Hillary als neue Präsidentin feststehen soll, steht es 233 zu 209 für Trump. In den Gesichtern der Partygäste macht sich so etwas wie Betroffenheit bemerkbar. Während Trump in Amerika weiterhin fleißig Wahlmänner-Stimmen einsammelt, spricht man sich hier in Bremerhaven noch Mut zu: Es sei noch nichts verloren, hofft man. 270 Stimmen entscheiden und da sind ja noch Pennsylvania, Michigan und Wisconsin, die zusammen 46 Stimmen halten. Wenn Clinton die bekommt, reißt sie das Ruder noch herum. Reißt sie aber nicht. Pennsylvania und Wisconsin fallen an Trump. Sein Punktevorsprung steigt auf 268 Stimmen an und in den wenigen noch fehlenden Staaten liegt er vorne. Das war‘s.

Die Betroffenheit auf der Party verwandelt sich in Entsetzen. „Unglaublich, ich kann nicht fassen, was da gerade passiert ist. Amerika, was hast Du getan?“, sagt Daniela June mit einem ungläubigen Kopfschütteln. Sie hat viele Jahre in den USA gelebt und schreibt zeitgleich über die sozialen Medien mit Freunden dort, die ebenfalls völlig fassungslos sind. „Damit habe ich wirklich nicht gerechnet“, sagt ebenfalls der 46-jährige David Melone mit besorgtem Blick in Richtung TV-Gerät. Alle hoffen irgendwie noch auf ein Wunder und einen plötzlichen Stimmenschub für Clinton, aber das Ergebnis bleibt. Amerika hat Donald Trump zum 45. Präsidenten der Vereinigten Staaten gewählt.   Marco Butzkus