Klimastadt Bremerhaven: Klima-Kompetenz soll zum Markenzeichen werden

Wer an Bremerhaven denkt, soll bald die "Klimastadt Bremerhaven" im Sinn haben. Wenn es nach den Machern der gleichnamigen Konzeptstudie geht, bekommt die Seestadt ein neues Markenzeichen als Zentrum der Klimakompetenz. Mit den "Leuchttürmen" Alfred-Wegener-Institut (AWI), Klimahaus 8º Ost und Windenergie ist Bremerhaven, wie die Studie feststellt, schon jetzt auf einem guten Weg. Künftig solle der Klimaschutz die ganze Stadt durchdringen und vielleicht sogar eines Tages an der Stadtgrenze sichtbar werden. Denn auf dem Ortseingangsschild, so der Vorschlag der Autoren, könne der Zusatz "Klimastadt" schwarz auf gelb die Alleinstellung Bremerhavens bei diesem Zukunftsthema signalisieren - nach dem Vorbild der "Lutherstadt Wittenberg".

Im Auftrag des Magistrats hatte eine Projektgruppe das Konzept unter Federführung des AWI ausgearbeitet. Das umfangreiche Papier - samt Anhang mehr als 140 Seiten dick - lotet die Chancen Bremerhavens als Klimazentrum aus und präsentiert Vorschläge für eine „glaubhafte Positionierung als Klimastadt".

Dass die Voraussetzungen für eine Klimastadt Bremerhaven günstig sind, steht für die Autoren außer Frage. Denn die Seestadt weise schon jetzt eine einzigartige Klimakompetenz auf, zu der drei bedeutende Säulen gehörten:


  • die Klimaforschung am Alfred-Wegener-Institut und seinem Umfeld,
  • das Klimahaus „in seiner Doppelfunktion als Zentrum der Bewusstseinsbildung und eines Erlebnistourismus",
  • die Offshore-Windenergie mit Gondel- und Komponentenherstellern sowie Forschungseinrichtungen.
Auf dieses Netzwerk müsse Bremerhaven setzen, wenn es sich als Klimastadt profiliere - etwa durch den weiteren Ausbau der Forschungsinfrastruktur und eine enge Zusammenarbeit der Institutionen. Schon jetzt mache sich die Stadt für eine aktive Umweltpolitik stark, etwa durch einen rund 200 Einzelprojekte umfassenden Masterplan zur Senkung des Kohlendioxidausstoßes, der auch Teil des Klima- und Energieplans 2020 des Landes Bremen ist. Das Regionalforum Bremerhaven (Mitglieder: die Städte, Landkreise und Gemeinden des Unterweserraums) startete im Herbst 2009 eine Offensive für den Klimaschutz mit mehr als 200 Vorhaben. Das Ziel: die Gründung einer „Klimaschutz-Region Bremerhaven".

Darüber hinaus gibt es zahlreiche Netzwerke aus Wirtschaft und Wissenschaft, die für die Klimastadt genutzt und gebündelt werden sollten. Als weitere Aktion schlägt die Studie den Aufbau einer „Innovationsplattform Klima" mit der Wirtschaft vor. Dafür kämen vor allem die Hafenwirtschaft, die den Umweltschutz durch den Anschluss der Schiffe ans Landstromnetz vorantreiben müsse, und die Lebensmittelindustrie in Frage.

Um die Netzwerke gezielt weiterzuentwickeln, so die Autoren, sollten sie sich nicht als Konkurrenz verstehen, sondern auf intensive Zusammenarbeit setzen. So könnten „attraktive Demonstrationszentren" von AWI, Klimahaus und Windenergie als Gemeinschaftsprojekt über die Klimaproblematik informieren. Bremerhaven will das weltweit renommierte Alfred-Wegener-Institut zudem als Standort eines europäischen Zentrums für Eiskernarchive ins Gespräch bringen, das überwiegend aus Mitteln der Europäischen Union finanziert werden könnte.

Als Beitrag zum Klimaschutz wird das AWI noch einmal mit dem Energieversorger swb prüfen, ob die Nutzung von Geothermie doch noch für den Neubau am Handelshafen möglich ist. Das Tiefbohrungsprojekt hatte sich 2003 aus finanziellen Gründen zerschlagen. Als weiterer Leuchtturm soll sich das Klimahaus noch intensiver als Forum für den Klimaschutz profilieren und zur „Bühne für gesellschaftliche Neuerungen" werden, etwa durch eine Modenschau junger Designer, die nachhaltig hergestellte Textilien verarbeiten.

Neben den drei bedeutenden Klima-Säulen habe Bremerhaven eine „Vielzahl weiterer Potenziale" mit Klimabezug, die das Bild der Klimastadt abrundeten, heißt es in dem Konzept weiter. Dazu gehörten der Tourismus, der eine Klimatour starten könne, sowie Publikumsattraktionen wie das Deutsche Auswandererhaus und der Zoo am Meer. Dort sollten die Besucher darüber informiert werden, wie sehr der Lebensraum der Eisbären durch die Klimaveränderung gefährdet ist.

Den großen Lebensmittelbetrieben des Fischereihafens empfiehlt das Konzept, in einem Pilotprojekt mit der Hochschule zu prüfen, ob die Abwärme der Kühlhäuser genutzt werden kann. Schon jetzt arbeite das Institut für Marine Ressourcen (Imare) an der umweltfreundlichen Produktion von Biomasse aus dem Meer. Die Auswirkungen des Klimawandels auf den Lebensraum Meer könnten zudem im Fischereihafen oder im Atlanticum des Forums Fischbahnhof aufgezeigt werden.

„Um den Klimagedanken im Bereich Gewerbe und Wohnen besonders hervorzuheben", so die Studie weiter, „wird die Realisierung von bauwirtschaftlichen Modellen angeregt." Der Klimastadt stehe es gut zu Gesicht, in Lehe oder der Stadtmitte einen „ökologischen Altbaustadtteil" einzurichten. Der solle besonders bei der Energieversorgung, der Entsorgung und beim Verkehr eine Vorreiterrolle spielen.

Letztlich hänge die Glaubwürdigkeit der „Klimastadt Bremerhaven" jedoch, wie die Autoren zu bedenken geben, „auch davon ab, inwieweit der Klimagedanke im Alltag der Verwaltung, Bevölkerung und Wirtschaft in der Region verankert werden kann". Das Ziel Klimastadt sei Ansporn genug, um bei diesem Zukunftsthema eine Vorbildfunktion zu übernehmen. Auf dem Weg dorthin sei das Konzept nur ein erster Schritt und der Ausgangspunkt für weitere Aktivitäten. Fazit der Studie: „Gelingt es, den eingeschlagenen Weg weiterzugehen, können aus Bremerhaven nicht nur wichtige Impulse zur Klimawandel-Vorbeugung und -Anpassung kommen, sondern das Klimathema kann in Bremerhaven einen innovationsbasierten Strukturwandel befördern."

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