Rede von Oberbürgermeister Jörg Schulz bei der Verabschiedung des BIS-Geschäftsführers Hennig Goes

Anrede,

am 4. Dezember 1973 erschien in der "Nordsee-Zeitung" ein Kommentar, der im Nachhinein als Bewerbungsschreiben des Autors verstanden werden kann. Unter der Überschrift "Werbung ist keine Nebensache" hieß es da, seit Jahren werde "in der Seestadt vom Magistrat Stadtwerbung mit der linken Hand betrieben ... - als die schönste Nebensache der Welt". Die Stadt brauche endlich eine Abteilung, in der Werbung und Information zusammengefasst seien. Eine Stadt "mit 150 000 Einwohnern" - genau waren es damals 143 000 - habe einen Anspruch darauf, "draußen gut ,verkauft' zu werden".

16 Monate später, im März 1975, griff der NZ-Journalist das Thema erneut auf. Er berichtete über die Kritik der SPD-Stadtverordnetenfraktion an einer Bremer Image-Kampagne, bei der mit ziemlich untauglichen Mitteln auch für Bremerhaven geworben wurde. Daher forderte die SPD, die Stadt müsse künftig selbst für sich werben. Ein eigenes Büro solle Bremerhaven ins rechte Licht rücken. Verfasser dieser Artikel - Sie ahnen es längst - war der damalige kommunalpolitische Redakteur der Nordsee-Zeitung, Hennig Goes. Einen Monat später beschloss die Stadtverordnetenversammlung die Einrichtung des Büros Bremerhaven-Werbung, und schon Mitte August 1975 ging es mit zwei Mitarbeitern an den Start - mit eben jenem Journalisten Goes, seinerzeit 32 Jahre alt, als Leiter und einer Sekretärin.

Die Ära, die einst so bescheiden begann, dauerte 33 Jahre. Sie endete am 31. Dezember 2008, als Hennig Goes von Bord gegangen und in den Ruhestand getreten ist. Mehr als drei Jahrzehnte stand er als Bremerhaven-Werber, städtischer Pressesprecher, oberster Tourismus-Manager und schließlich als einer der beiden Geschäftsführer der Bremerhavener Gesellschaft für Investitionsförderung und Stadtentwicklung - BIS - im Dienst der Stadt Bremerhaven. Vor allem aber als "Mr. Sail". Die Sail ist sein Kind und sein Lebenswerk, mit dem er sich in die Annalen der Stadt eingetragen hat. Deshalb haben wir heute besonderen Anlass, ihm zu danken und ihn mit diesem Empfang zu verabschieden, zu dem ich Sie als Aufsichtsratsvorsitzender der BIS recht herzlich begrüße.

Als städtischer Mitarbeiter war Hennig Goes zu Anfang keineswegs unumstritten, und das nicht nur, weil der Quereinsteiger von der Presse in der Behördenhierarchie der Stadtverwaltung anfangs misstrauisch beäugt wurde. Die Personalentscheidung, die von der SPD-Mehrheitsfraktion durchgeboxt wurde, führte auch auf politischer Ebene zu erheblichen Turbulenzen: Die oppositionelle CDU monierte, mit dem NZ-Redakteur Goes sei nicht der beste, sondern nur der zweitbeste Mann zum Zuge gekommen. Um den Job habe sich nämlich auch ein "exzellenter Werbefachmann" mit "mehr als 20 Jahren Erfahrungen in der europäischen und außereuropäischen Werbebranche" beworben, der schmählich benachteiligt worden sei.

Dabei übersah die CDU allerdings, dass für den Aufbau der Bremerhaven-Werbung kein Überflieger der Werbebranche von auswärts mit internationalen Kontakten gebraucht wurde, sondern ein handfester Bremerhaven-Praktiker, der wusste, wie die Stadt und ihre Menschen ticken. "Um für diese Stadt werben zu können, muss man sie und die Mentalität ihrer Bürger kennen", sagte Goes denn auch bei seinem Bewerbungsvortrag vor dem Werbe- und Presseausschuss der Stadtverordnetenversammlung. "Mehr noch: Man muss diese Stadt schätzen und vielleicht sogar lieben, um sie und ihre Menschen richtig zu verstehen." Schließlich galt es ja nicht, für eines der üblichen Produkte aus der Konsumbranche die Werbetrommel zu rühren, sondern für das ganz besondere Flair und das touristische Angebot einer Stadt am Meer.

Auch die CDU-Fraktion sah schon bald ein, dass der neue Bremerhaven-Werber dafür genau der richtige Mann war. Goes kannte und liebte Bremerhaven, obwohl er zum Zeitpunkt seiner Wahl erst sieben Jahre in der Seestadt lebte. Er stammt aus der Lüneburger Heide, wo er in dem Ort Ehra auf dem Hof seiner Eltern aufwuchs. Der ungewöhnliche Vorname Hennig statt des eigentlich geplanten Henning kam übrigens durch den schlichten Schreibfehler des Standesbeamten zustande.

Nach der Schulzeit machte Goes eine Lehre als Schriftsetzer und fand dadurch den Weg in den Journalismus. Nach einem Volontariat bei der "Allgemeinen Zeitung der Lüneburger Heide" in Uelzen und der Lüneburger "Landeszeitung" wurde er Redakteur bei der "Neuen Ruhr/Neuen Rhein-Zeitung" in Essen. Am 1. April 1968 kam er dann zur "Nordsee-Zeitung" nach Bremerhaven, wo er als verantwortlicher Redakteur über Kommunal- und Landespolitik berichtete. Dass er nach sieben Jahren auf die andere Seite wechselte, begründete Goes in seiner Bewerbung so: "Ich kenne Bremerhaven aus meiner Arbeit als Journalist, und ich weiß, welche Chancen diese Stadt hat. Ich möchte mithelfen, diese Chancen zu verwirklichen - so wie ich das auch als Redakteur immer getan habe."
Die Initialzündung zu seinem Erfolg als Stadtwerber waren 1977 die Feiern zum 150-jährigen Jubiläum der Stadt, die er plante und organisierte. Bei der Windjammerparade als Höhepunkt drängten sich 100 000 Menschen - ein Bild, das uns seither alle paar Jahre von der Sail vertraut ist. Durch das Segler-Festival des Stadtjubiläums bekam Goes Kontakt zur Sail Training Association in London, und da ihn die See schon immer gelockt hatte, gründete er mit Gleichgesinnten die Schiffergilde Bremerhaven, einen Verein zur Erhaltung von Traditionsschiffen und zur Pflege der maritimen Kultur Bremerhavens. Erste Anschaffung: der Finkenwerder Kutter "Astarte" von 1903, seither das Flaggschiff der Schiffergilde.

Zum 1. Januar 1979 berief ihn der damalige Oberbürgermeister Werner Lenz zusätzlich zum Pressesprecher des Magistrats, doch das Hauptbetätigungsfeld des Bremerhaven-Werbers blieb der Tourismus, vor allem der maritime. Denn die Stadt, das hatte Goes erkannt, musste mit dem Wasser wuchern. In seiner Werbung grenzte er Bremerhaven deutlich von der großen Schwester Bremen ab und machte im ersten Werbeslogan klar, dass die Seestadt am Eingang zur Nordsee liegt.

Doch Werbung allein reichte nicht aus, um Bremerhaven maritimes Profil zu geben und über die Region hinaus bekannt zu machen. Nach dem Erfolg des Stadtjubiläums forcierte Hennig Goes seine Idee, die Faszination Windjammer auf Dauer touristisch zu vermarkten. Er erfand die Sail und holte 1986 die schönsten Windjammer aus aller Welt zur Parade in die Stadt, in der von 1834 bis 1925 mehr als 250 der größten Segler gebaut wurden. Dabei halfen ihm seine Kontakte, die er zur Sail Training Association geknüpft hatte.

Obwohl die ersten Tage völlig verregnet waren, machte die Sail 1986 unter der Schirmherrschaft des damaligen Bundespräsidenten Richard von Weizsäcker Furore. Rechtzeitig zur großen Parade am Sonntag riss der Himmel auf. Bei Kaiserwetter wurde der Weserdeich mit Hunderttausenden von Zuschauern aus ganz Deutschland zur größten Freilichttribüne der Welt, und wer dabei war, hat dieses Jahrhundertereignis auch heute noch vor Augen. Es war das erste Meisterstück von Hennig Goes, der sich nicht nur als hervorragender Sail-Cheforganisator und Werber erwies, sondern es auch verstanden hatte, im Organisationskomitee und im Helferteam erfahrene und engagierte Leute mit ins Boot zu holen.

Mit dem Windjammer-Festival 1986 schuf Goes die Grundlage für den maritimen Tourismus in Bremerhaven. Auch die weiteren Großseglertreffen - 1990, 1992, 1995, 2000, 2005 und zuletzt die Lütte Sail 2008 - wurden zu spektakulären Erfolgen. Sie machten die Sail zu einer bundesweit bekannten Marke und waren der beste Beweis, dass der Weg des maritimen Städtetourismus, den Bremerhaven eingeschlagen hat, richtig ist.

Zum 1. Januar 1990 wurde das Büro Bremerhaven-Werbung - inzwischen erweitert um das Verkehrsamt der Stadt - aus der Stadtverwaltung ausgegliedert und in eine städtische Gesellschaft umgewandelt. Die Tourismusförderungsgesellschaft Bremerhaven mbH mit dem Geschäftsführer Hennig Goes setzte den Aufbau eines klaren maritimen Tourismusprofils fort und wurde zehn Jahre später mit der neugegründeten BIS Bremerhavener Gesellschaft für Investitionsförderung und Stadtentwicklung verschmolzen. Hennig Goes wurde einer der beiden Geschäftsführer, dem die Bereiche Tourismusförderung und Stadtmarketing unterstanden. Unter seiner Federführung baute die BIS den Städtetourismus als Teil der Wirtschaftsförderung weiter aus und begleitete die Entwicklung der Havenwelten zum authentischen maritimen Besuchermagneten mitten in der Stadt.

Das Feld, das Hennig Goes jetzt mit dem Eintritt in den Ruhestand zurücklässt, ist bestens bestellt. Als "Mr. Sail" hat er eine Großveranstaltung ins Leben gerufen, die untrennbar mit dem Namen Bremerhaven verbunden ist und alle fünf Jahre zwischen 1,5 und 2 Millionen Menschen anlockt. Er hat mit seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern touristische Strukturen geschaffen, auf denen die weitere Zukunft Bremerhavens in diesem wichtigen Wirtschaftszweig aufgebaut werden kann. Und er hat den maritimen Tourismus und die maritime Kultur in Bremerhaven seit Mitte der siebziger Jahre geprägt wie kein anderer - sowohl von Berufs wegen als auch ehrenamtlich in Vereinen wie der Schiffergilde und der Schiffahrts-Compagnie Bremerhaven.

Dabei war es für alle, die mit ihm zu tun hatten, nicht immer leicht. Man tritt Dir, lieber Hennig, sicherlich nicht zu nahe, wenn man sagt, dass Du ein temperamentvoller und zuweilen auch impulsiver Mensch bist. Dass Du nicht zu den ruhigen, geduldigen und gelassenen Zeitgenossen gehörst und manchen Leuten auch schon mal gehörig auf die Füße getreten bist - das weißt Du selbst am allerbesten. Zum 25-jährigen Jubiläum der Bremerhaven-Werbung im Jahr 2000 hast Du eingeräumt, dass Du gern manchmal etwas ausgeglichener wärst. Der NZ sagtest Du damals: "Ich komme gerne schnell zum Thema, das tut mir im Leben nicht immer gut. Aber es ist Teil meines Berufes und meines Wesens. Ich lebe damit ganz gut, und ich habe mich damit abgefunden, dass ich nicht Everybodys Darling bin. Das hat den Vorteil, dass ich nicht Everybodys Depp werde."

Nein, bequem warst Du in der Tat nicht. Deine Unbequemlichkeit bekam jeder irgendwann einmal zu spüren, und oft hat sich dann gezeigt, dass Du Recht hattest. Legendär ist beispielsweise Dein Alleingang Anfang 1987, als Du Dir unaufgefordert Gedanken um eine Freizeitattraktion auf der Brache am Alten und Neuen Hafen- damals schon ein kommunalpolitischer Dauerbrenner! - machtest und den Bau eines Spaßbades anregtest. Bei diesem Thema kannte die SPD-Mehrheitsfraktion überhaupt keinen Spaß, wie die NZ süffisant schrieb, denn ein solcher Vorschlag sei nur dem zuständigen Dezernenten erlaubt. Oberbürgermeister Karl Willms glättete seinerzeit die Wogen mit der lapidaren Bemerkung, ein solcher Vorstoß sei doch wohl kein "todeswürdiges Verbrechen".

Künftig kannst Du nun alles etwas langsamer und gelassener angehen, wo Du doch jetzt im Ruhestand bist und der tagtägliche Arbeitsdruck wegfällt. Allerdings hast Du ja schon angekündigt, dass Du noch "ein wenig" nebenher freiberuflich arbeiten willst. Ganz so wenig wird das sicherlich nicht sein, denn ein Arbeitstier wie Dich kann man sich noch längst nicht als Rentner vorstellen, der im Garten den Rasen mäht und die Rosen schneidet. Du sagst von Dir selbst, dass Du Arbeit brauchst, um leben zu können. Ferien zu machen war für Dich zumeist ein Fremdwort, und wenn Du doch mal verreist bist, dann in einen Arbeitsurlaub. 1980, so berichtete einst das "Sonntagsjournal", hast Du Dich immerhin mal für sieben Tage zu einem Kurzurlaub nach Italien abgemeldet - und dann bist Du einen Tag früher als geplant wieder nach Hause zurückgekehrt. Originalton Goes: "Ich konnte es einfach nicht mehr aushalten, so angespannt war ich innerlich noch immer." Deine Abreise war so plötzlich, dass Dir die Lufthansa die Koffer hinterherschicken musste.

Ich hoffe, dass Du jetzt mit Deiner Frau Sabine Urlaubsreisen besser genießen kannst. Im Namen der Stadt Bremerhaven, als Aufsichtsratsvorsitzender der BIS und auch ganz persönlich danke ich Dir, lieber Hennig, für Deine großen Leistungen, mit denen Du im Laufe von 33 Jahren wesentlich dazu beigetragen hast, unsere Stadt voranzubringen. Tourismus und Stadtmarketing in Bremerhaven und nicht zuletzt die Sail werden immer mit Deinem Namen verbunden bleiben. Wir brauchen auch künftig Deine langjährige Erfahrung, und deshalb bin ich sicher, dass wir auch künftig auf Deinen Rat zurückgreifen können. Zunächst aber wünsche ich Dir alles erdenklich Gute, vor allem natürlich Gesundheit, und weiterhin Schaffenskraft in Deinem neuen Lebensabschnitt, der für Dich eher ein Unruhestand als ein Ruhestand sein wird.

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