Rickmers-Werft

Der aus Helgoland gebürtige Bootsbauer Rickmer Clasen Rickmers (1807-1886) lebte seit 1832 in Bremerhaven, war zunächst als Vorarbeiter bei der an der Geeste gelegenen Werft Cornelius Janssen Cornelius tätig und machte sich 1834 selbstständig. 1836 pachtete er am rechten nordwestlichen Bremerhavener Geesteufer ein Grundstück und richtete dort einen Werftbetrieb ein, der 1840 den ersten größeren Neubau für eine bremische Reederei ablieferte und sich um 1850 zu einer der führenden Werften an der Unterweser und darüber hinaus an der gesamten deutschen Küste entwickelt hatte. Da das Bremerhavener Grundstück keine Erweiterungsmöglichkeit bot, wurde 1857 auf dem Geestemünder Flussufer ein Zweigbetrieb eröffnet, der sich alsbald zum Betriebsschwerpunkt herauskristallisierte und zur Aufgabe des Bremerhavener Geländes Anfang der 1870er Jahre führte. Die Werft profilierte sich vor allem auf den Bau von Holzseglern.

Der florierende Werftbetrieb bildete den Ausgangspunkt für einen Mischkonzern im Familienbesitz. Durch die Übernahme von Schiffsanteilen ab 1842 wuchs Rickmers spätestens ab 1859 in das Reedereigeschäft hinein, das zu einem weiteren herausragenden Geschäftsbereich wurde und alsbald dazu führte, dass die Werft bis zum Ersten Weltkrieg überwiegend für den Eigenbedarf fertigte. Zum dritten Standbein avancierte schließlich eine Reismühle in Bremen, an der man sich ab 1872 beteiligte und die man 1878 schließlich ganz übernahm. So transportierten schließlich auf der eigenen Werft erbaute Rickmers-Segler, später auch Dampfer (wegen ihres grünen Rumpfs „Bremer Blattläuse“ genannt) vor allem Reis aus Hinterindien, der dann nach Europa zur Weiterverarbeitung im eigenen Betrieb transportiert wurde.

Aufgrund dieser Diversifizierung bedeutete 1889 die Gründung eines Mutterkonzerns Rickmers Reismühlen, Rhederei und Schiffbau AG einen wohl überfälligen Schritt. Hatte der Firmengründer die Umstellung der Werft auf den modernen Eisenschiffbau zeitlebens abgelehnt, führte nach seinem Tod 1886 sein Sohn Peter Rickmers (1838-1902) diese konsequent nach englischem Vorbild durch, so dass auf dem Werftgrundstück an der Geeste schließlich auch eiserne Dampf- und Segelschiffe entstanden. Heute noch unvergessen ist die Fünfmastbark mit Hilfsdampfantrieb R.C. RICKMERS, die 1906 für die konzerneigene Reederei abgeliefert wurde und zu den größten Windjammern der Welt zählte.

Wegen Differenzen innerhalb der Familie Rickmers über die künftige Geschäftspolitik war das Reismühlengeschäft bereits 1901 vom übrigen Konzern getrennt worden. 1918 erfolgte die finanztechnische Trennung zwischen Werft und Reederei. Das Schiffbaugeschäft wurde unter der Leitung von Paul Rickmers (1873-1946) sowie der Bezeichnung Norddeutsche Werft zunächst weitergeführt, jedoch 1924 wegen der allgemein problematischen Schiffbaukonjunktur nach dem Ersten Weltkrieg stillgelegt. 1937 erfolgte die Wiedereröffnung. Unter den wechselvollen historischen Rahmenbedingungen wurde dort in den folgenden Jahrzehnten eine breite Palette an Schiffstypen erbaut, neben Frachtern handelte es sich vor allem im Fischtrawler und Roll-on/Roll off-Schiffe. Aufgrund der windungsreichen und zu engen Geeste wurde 1967 ein neues Gelände im Fischereihafen erworben, wohin nach und nach die meisten Gewerke verlegt wurden. 1986 musste die Werft ihre Pforten schließen.

An die einst so florierende Werft erinnern heute noch das einstige neugotische Werfttor (1857) und ein als Industriedenkmal erhaltener, 35,5 Meter hoher Werftkran, der 2003 wieder instand gesetzt wurde. Er wurde 1956 von der Hans Seebeck Maschinenbau-Eisenbau GmbH in Bremerhaven-Lehe gebaut und konnte bis zu 20 Tonnen heben. Auf dem einstigen Betriebsgelände der Werft steht die heutige Bremerhavener Arbeitsagentur sowie der Wohnkomplex Kapitänsviertel. Ein Wohnbauprojekt, das Kapitänsviertel, ist auf diesem Areal im Bau.

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